Frankreich/Spanien, Nov./Dez. 2021

Donnerstag 18.11.2021

Bisher haben wir keine Reise mit so vielen Vorbehalten begonnen. Eigentlich wollten wir nach Südfrankreich, aber der Wetterbericht ist alles andere als berauschend. Kein Wunder, schließlich haben wir Mitte November. Außerdem steigen die Covid-Inzidenzen überall rasant an. Und daheim ist es schließlich auch sehr gemütlich, und dazu heute sogar noch sonnig. Wir müssen uns einen richtigen Ruck geben, um schließlich doch loszufahren. Jedenfalls haben wir das Ziel geändert. Viva Espagna! Südspanien statt Südfrankreich. Zwar bedeutet das eine wesentlich weitere Fahrt, dafür verspricht der Wetterbericht Temperaturen um 18 Grad. 

Bis wir schließlich loskommen (unglaublich, was dann doch im letzten Moment noch alles erledigt werden muss), ist es 12:45! Das ist selbst für uns ein Rekord. Aber egal. Wir fahren bei schönem Wetter ganz entspannt einmal quer durch die Schweiz bis Genf. Dort gibt es an der Grenze den einzigen Stau, der sich dahinter aber schnell wieder auflöst. Wir erleben einen grandiosen Pink-orangenen Abendhimmel und einen bleichen Vollmond. 

Unser erstes Quartier ist ein Stellplatz in Aix-les-Bains, das an der Autobahn liegt. Leider ist es inzwischen dunkel, und wir beschließen, dass wir zukünftig bei Tageslicht ankommen wollen. Es ist nicht so angenehm, bei Nacht durch fremde Städtchen zu gurken und Stellplätze zu suchen.

Am nächsten Morgen sieht man dann auch das Hinweisschild

An der Schranke vor dem Stellplatz bemüht sich ein Münchner Camper vergeblich, die Standgebühr zu bezahlen. Das Gerät erkennt keine Kreditkarten, und er muss sich per Handy mit dem Support herumschlagen. Als ich dran bin, passiert natürlich genau das Gleiche. Allerdings habe ich in der Zwischenzeit eine Gruppe sehr netter Bretonischer Camper getroffen, die mir helfen. Das Ganze dauert fast eine Stunde, bis wir schließlich auf dem – übrigens sehr angenehmen und perfekt organisierten – Stellplatz stehen. Nach einem kleinen Spaziergang zum See und einem aufgewärmten Resteessen, das wir mit ordentlich Rotwein hinunterspülen, liegen wir um 21:30 in unserer Koje. 

Freitag, 19.11.2021

Nach dem Frühstück machen wir einen kleinen Spaziergang am Lac du Bourget. Entlang des Sees gibt es eine richtige Promenade mit Platanen-Allee, diversen Ausflugslokalen und einem kleinen Vergnügungspark, der allerdings schon im Winterschlaf ist.

Still ruht der See … und einige Fischer versuchen im Morgenlicht ihr Anglerglück.

Um 10 Uhr sind wir unterwegs mit Ziel Avignon. Nachdem wir erst in immer dichter werdenden Nebel fahren, reißt es kurz vor Valence plötzlich auf, die Sonne kommt raus, und wir bekommen richtige Urlaubsgefühle.

In Avignon finden wir einen Campingplatz direkt an der Rhone, mit Panoramablick auf die Altstadt.  Der Campingplatz ist ein bisschen marode, und die Sanitäranlagen wollen wir gar nicht von innen sehen (müssen wir ja auch nicht). Aber die Lage ist nicht zu toppen, nicht nur wegen des Blicks, sondern auch wegen der kurzen Entfernung zur Stadt (einmal über die Brücke). Außerdem stehen die Camper zwischen riesigen Platanen.

Der Platz ist nur noch spärlich besetzt.
Direkt vor dem Platz diese Aussicht

Avignon, Stadt der Päpste, ist eine mittelalterliche Festung, mit umlaufender Stadtmauer und trutzigen Toren.

Wir laufen einmal durch die Altstadt, trinken einen Kaffee auf der zentralen Place d’Horloge, laufen am monumentalen Palast der Päpste entlang zu einem hoch über der Rhone gelegenen Park mit beeindruckenden Ausblicken in die Umgebung.

Blick auf die Rhone und die Brücke von Avignon.
Sonne und 16 Grad: Alles gut!

Im Park gibt es derzeit eine Ausstellung mit grossen Fototafeln über die erste Theaterproduktion von Jean Vilar im Palais Du Papes: Richard II aus dem Jahr 1947. Diese Inszenierung war der Beginn des Theaterfestivals von Avignon.

Alle sehr entspannt: Links der blutjunge Philippe Noiret, in der Mitte Jean Vilar.

Der Palast der Päpste ist einfach riesig und wird derzeit restauriert. Allein das Gerüst ist gigantisch! Wir zählen 22 Stockwerke am Turm.

22 Stockwerke Gerüst!

Für einen Besuch im Palast ist es zu spät, das verschieben wir auf den nächsten Tag.

Ein Pernod geht trotzdem noch…JETZT sind wir in Frankreich!

Statt dessen besuchen wir einen Markt mit Regionalprodukten, der aber nicht, wie man vermuten könnte, auf einem Platz stattfindet, sondern in einer ehemaligen Kirche.

Regionalmarkt in einer ehemaligen Kirche

Beim Rückweg zum Campingplatz werden wir mit berückenden Ansichten auf die Altstadt belohnt – erst im Hellen, später bei Vollmond und künstlicher Beleuchtung.

Avignon mit blau erleuchteter Brücke und Vollmond.

Die Brücke von Avignon wird in unwirklichem Blau angestrahlt.

Samstag, 20.11.2021

Nach einer ruhigen Nacht und dem ersten Frühstück mit Baguette und Croissant entscheiden wir uns, noch einen Tag hier zu bleiben. Wir müssen ja auch noch einiges besichtigen. Die Sonne zeigt sich gegen 10.00, und es könnte wieder um die 16 Grad werden.

Die berühmte Brücke aus dem Kinderlied „Sur le pont d‘Avignon…“ ist die erste Station. Tatsächlich heißt die Brücke, die im 12. Jahrhundert erbaut wurde, eigentlich Pont Saint-Bénézet und ist nur noch eine Ruine, die in die Rhone ragt. Statt heute nur noch vier hatte sie ursprünglich 22 Bögen und verband Avignon über zwei Rhone-Arme mit Villeneuve-lès-Avignon. Mit 915 m war sie damals die längste Brücke Europas. Nach Zerstörung durch ein Hochwasser im Jahr 1660 wurde die Brücke aufgegeben, aber schon Mitte des 19. Jahrhunderts als nationales Momument restauriert.

Pont Saint Bénézet mit Kapelle.

Von der Brücke geht es weiter zum Palast der Päpste. Von 1335 bis 1430 residierten hier insgesamt neun Päpste und Gegenpäpste (zur Zeit des Großen abendländischen Schismas). . 

Einer von mehreren Innenhöfen im Palais du papes.

Die Avigneser Päpste ließen innerhalb weniger Jahrzehnte ein gigantisches „Palais“ errichten, das außen einer Festung gleicht, aber dessen Innenräume Schloßcharakter haben. Um es vor Angriffen zu schützen, wurde zusätzlich eine imposante Ringmauer um die Stadt errichtet, die heute noch intakt ist. Durch seine schiere Größe beeindruckt vor allem der große Speisesaal – 48 m lang, 10 m breit – der von einem (rekonstruierten) Holzgewölbe überspannt ist. Die meisten Räume waren mit Fresken bemalt, von denen allerdings nur noch wenige erhalten sind. Ganz wunderbar sind jene aus dem sogenannten Hirschzimmer, dem Arbeitszimmer von Papst Clemens V. In einer fiktiven Naturlandschaft werden verschiedene Jagdszenen von der Falknerei über Fischfang bis zur Hirschjagd dargestellt. Die lebendige, überaus phantasievolle Wandmalerei steht in krassem Gegensatz zum abweisenden Exterieur des Palais.

Jagdszene aus dem Hirschzimmer (Foto: Wikipedia)

Am Nachmittag gibt es noch einen Spaziergang nach Villeneuve-lès-Avignon, das auf der anderen Seite der Rhone liegt. Im 13. Jahrhundert markierte es die Grenze zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Königreich Frankreich, und selbst heute liegen die beiden durch Brücken verbundenen Städte in verschiedenen Départements. Von dem zur Festung ausgebauten Kloster St. André hat man einen phantastischen Blick auf Avignon.

Blick von der Festung Saint André auf Avignon.
Und nach Osten.

Sonntag, 21.11.

Wir wollen nach Spanien, die Frage ist, auf welchem Weg. Wir entscheiden uns, über Biarritz und Bilbao Richtung Andalusien zu fahren und den Rückweg an der Mittelmeerküste entlang über Valencia und Barcelona zu nehmen.

Als erste Etappe auf diesem Weg fahren wir heute auf leeren Autobahnen nach Carcassonne. Das stand schon länger auf unserem (ok, meinem) Besichtigungsplan. Wir kommen zügig voran und finden einen Stellplatz in fußläufiger Entfernung zur „Cité“. Carcassonne ist eine perfekt erhaltene Festung aus dem 12. Jahrhundert. In dem Festungsgürtel mit doppeltem Mauerring gibt es eine kleine Stadt, die heute noch bewohnt ist. Die Festung galt im im Mittelalter wegen ihres ausgeklügelten Verteidigungssystems als uneinnehmbar. 

Die Cité von Carcassonne
Blick auf den Wehrgang


Nach einem Abendessen (Reis mit grünem Chicken-Curry, das Claus mit der Note 10 von 10 bewertet), verziehen wir uns wieder früh in unsere kuschelige Koje.

Montag, 22.11.

Heute ist ein Reisetag. Auf der Autobahn „entre les deux mers“ (also zwischen Atlantik und Mittelmeer) fahren wir bis Biarritz. Die Autobahn ist praktisch leer, selbst die LKWs halten sich in Grenzen.

Wir cruisen also gemächlich durch die Lande, fahren durch Nebelfelder, beäugen die dicken Wolken, die sich bilden, und kommen aber ohne weitere Vorkomnisse an. Der Stellplatz ist zwar nicht besonders schön, dafür aber nur 100 m vom Meer entfernt. Wir machen einen ausgedehnten Strandspaziergang, bemitleiden die Surfer, die bei der Kälte bis kurz vor Dunkelheit im Wasser ausharren auf der Suche nach einer Welle, beobachten die Tanker, die sich aus der Mündung des Adour langsam ins Meer schieben – und das war’s auch schon für heute.

Die Mitcamper sind z.T. sehr eigenwillig. Ein ziemlich verratzter VW-Bus lässt über Stunden seinen Motor laufen. Dafür hat das Holländische Paar neben uns sein Wohnmobil psychedelisch aufgehübscht. Als sie kurz die Türe öffnen, sehen wir innen Grasbehang mit Kuntstblumenarrangement. Sehr authentisch!

Dienstag, 23.11.

Bevor wir losfahren, laufen wir nochmal zum Strand, der heute wesentlich trüber aussieht als im Abendlicht. Die Surfer, die schon wieder auf die Welle warten, interessiert das aber nicht. Sieht fast so aus, als hätten sie im in Wasser übernachtet.

Wir fahren nach Bilbao, um das Guggenheim-Museum zu besichtigen. Der Stellplatz ist ein absolutes Highlight! Wir thronen auf einem Hügel hoch über der Stadt und haben einen einmaligen Blick, der nachts noch imposanter ist als tagsüber. Der Stellplatz selbst ist auch perfekt organisiert, aber der Blick nicht zu toppen.

Blick von unserem Stellplatz auf Bilbao.

Mit einem Bus geht es in die Stadt zum Guggenheim-Museum von Frank Gehry. Schon auf dem Weg sieht man das Gebäude durch die engen Gassen. Der Eindruck von Nahem ist nicht so überwältigend wie vermutet, aber das liegt wohl am trüben Wetter. 

Dafür ist der Innenraum umso beeindruckender: Auf vier Etagen entfaltet sich die zentrale Lobby, und an jeder Ecke ergeben sich neue Perspektiven. Das Treppenhaus wird von einer halbrunden Stahl- ind Glaskonstruktion getragen, die sich skulpturhaft nach oben verjüngt.
Gehry spielt mit den Materialien Stahl, Glas, Titanblech und Marmor, er macht Schweres leicht und umgekehrt. Kongenial ist die Verbindung  seiner Architektur mit mehreren Installationen von Richard Serra im Erdgeschoss. Serra hat Skulpturen aus etwa 5 cm starken Stahlblechen in den Raum hinein konzipiert. Die Rundungen und Windungen seiner Gebilde bilden spannende Bezüge zu Gehrys Architektur.

Die Lobby
Skulpturen von Richard Serra im Guggenheim Museum.

Die Ausstellungsräume selbst sind konventioneller, um die Hängung von Bildern zu ermöglichen. Es läuft eine Ausstellung über Frauen in der abstrakten Kunst (die mich persönlich nicht so beeindruckt) und eine über die amerikanische Malerin Alice Neel, die eine echte Entdeckung ist. Alice Neel (1900 – 1984) hat die längste Zeit ihres Lebens in Spanish Harlem in New York gelebt und unglaubliche Portraits von Leuten auf der Straße, von Nachbarn und von zufälligen Begegnungen gemalt. Die Blicke dieser Menschen gehen auch heute noch unter  die Haut.

Zurück zu Fuß und mit Bus zum Wohnmobil ist es schon dunkel und regnet. Aber die Stadt glitzert zu unseren Füßen, und wir sind hingerissen vom Blick darauf.

Mittwoch, 24.11. und Donnerstag, 25.11.

Während es die Nacht über geregnet hat, reißt es nach dem Frühstück plötzlich auf. Es ist kalt, die Luft wie reingewaschen, der Himmel blau.

Wir werden in den kommenden zwei Tagen quer durch Spanien von der Nord- bis an die Südküste fahren, wir werden zwei Gebirgszüge queren, die Cordillera Cantabrica und die Cordillera Central. Die beiden Bergketten begrenzen die Hochebene von Kastilien im Norden und im Süden und sorgen dafür, dass es in dieser Bratpfanne im Sommer extrem heiß und im Winter sehr kalt wird.

Die ersten 1 1/2 Stunden fahren wir der Küste entlang bis Santander. Wir haben immer noch Glück mit dem Wetter und genießen die Landschaft mit Bergen auf der einen und dem Meer auf der anderen Seite. Die Straße windet sich bergauf und bergab und führt auch immer wieder weit weg vom Meer, es gibt lange Brücken und tiefe Buchten.

Hinter Santander biegt die Straße Richtung Süden ab und führt durch zunächst schöne Berglandschaften immer weiter nach oben. Plötzlich ist alles weiß!

Und es wird immer unwirtlicher. Nachdem wir den Gebirgszug der Cordillera Cantabrica durchquert haben, sind wir in Kastilien. Diese karge, öde Landschaft mit ihren endlosen Weiten beeindruckt uns tief. Irgendwann hört der Schnee auf (obwohl wir immer noch auf rund 800 m Höhe sind), es gibt irgendwann auch wieder einige Pinien, aber über mehrere hundert Kilometer bleibt es unwirtlich und karg. 

Gegen 17 Uhr sind wir auf dem Campingplatz in Salamanca (eigentlich eine schöne Universitätsstadt, aber wir haben gar keine Lust auf Besichtigung).  Der Platz hat ganzjährig geöffnet, ist aber völlig leer und hat den November-Blues.

Am nächsten Tag durchqueren wir die zweite Gebirgskette, die Cordilleres Central. Auch hier liegt Schnee, aber nicht so viel wie gestern. Glücklicherweise sind die Straßen trocken.


Auf der Südseite beginnen plötzlich Plantagen – Olivenbäume, irgendwelche anderen Bäume, die wir aus der Entfernung nicht zuordnen können, es grasen Kühe und Pferde, es wird insgesamt etwas weniger karg. Was aber bleibt, ist die Leere der Landschaft (und der Autobahnen). Wir googeln und finden heraus, das Spanien zu dem am geringsten besiedelten Ländern Europas gehört (93 Menschen pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: Deutschland hat 230, die Schweiz etwa gleich viele). 

Hinter Sevilla folgt eine fruchtbare Ebene, in der auf riesigen Plantagen alles mögliche angebaut wird, von Orangen bis Mais. Kurz vor unserem Ziel in Sanlucar de Barrameda beginnt es zu regnen. Wir werden von einem wahren Sturzbach erwischt, bei dem man am liebsten auf der Stelle stehengeblieben wäre (was wir vielleicht auch hätten tun sollen). Glücklicherweise hört der Spuk schnell wieder auf. Im letzten Tageslicht (die Sonne geht hier deutlich später unter als zuhause – derzeit gegen 18:30 Uhr) und auf einer Straße mit beeindruckenden Schlaglöchern finden wir den Stellplatz, der sich hinter einer Hecke versteckt. 

Immerhin gibts hier Palmen!
….und 50m hinter dem CP ist das Meer

Das waren zwei Tage mit viel Fahrerei, aber auch mit vielen Eindrücken von einem wilden und kargen Land. Wir essen kurz und liegen früh in der Koje.

Freitag, 26.11.

Als wir aufwachen, ist alles weiß: aber diesmal nur Nebel. Bis wir gefrühstückt haben und parat sind, hat er sich verzogen, und wir machen einen kleinen Strandspaziergang. Im Sommer ist der Ort sicher sehr lebendig, aber jetzt natürlich im Winterschlaf.

Wir haben einen Campingplatz im Landesinneren ausgesucht, der eine gute Stunde Autofahrt entfernt ist. Auf dem Weg fahren wir durch eines der weißen Dörfer, für die Andalusien bekannt ist: Alcalá de los Gazules. Ich kaufe in einem spanischen Tante-Emma-Laden ein, den wir am Weg finden, und bin schwer begeistert vom Angebot (Obst! Gemüse! Ganze Schinken!) und vom Ladenbesitzer, der fröhlich die spanischen Schlager aus dem Radio mitsingt. Inzwischen scheint die Sonne, und wir haben 15 Grad – so stellt man sich den Spanien-Urlaub im November vor (gestern waren es noch 4 Grad!)

Der Campingplatz liegt 4 km außerhalb des Ortes im Nirwana. Beim Einchecken und bei unserem ersten Restaurantbesuch merken wir, wie saublöd es doch ist, wenn man so gar kein Spanisch spricht. Ich verstehe partout nicht, was die Rezeptionistin von mir wissen will, bis sie sich schließlich mit „Wau-wau“ zu helfen weiß (die Frage war, ob wir Hunde dabei haben). Wir können uns zwar kaum verständigen, aber wir müssen beide schrecklich lachen. Der Ober im Camping-Restaurant googelt Fotos von Gerichten, um uns klarzumachen, was er anzubieten hat (ok, eine Speisekarte wäre vielleicht auch schon hilfreich gewesen, aber die hat er nicht). Aber auch hier klappt alles perfekt, und wir genießen unsere erste spanische Mahlzeit im Restaurant (Calamares).

Die Holperstraße (Schlaglöcher!!), die zum Campingplatz führt, hört kurz dahinter auf. Buchstäblich. Danach kommt noch ein Stückchen Schotterweg, der sich zum Wanderpfad wandelt, der in die Hügel führt. Es gibt wirklich nichts außer Kühen, die sogar den Wanderpfad entlang trampeln, und Adlern, die über den Hügeln kreisen. Hier beginnt ein Naturschutzgebiet, der Parque Natural Los Alcornocales (Korkeichen). Das Wandern ist hier übrigens nicht ganz so einfach. Es gibt nur einen einzigen markierten Weg – das ganze andere Gelände ist (z.T. mit Stacheldraht) eingezäunt und offensichtlich privat. Na ja, es wird noch andere Wanderwege geben.

Samstag, 27.11.

Heute eine kleine Wanderung nach Alcalá de los Gazules. Es geht der Straße entlang, aber dort fährt ja praktisch kein Auto. Alcalá thront weiß schimmernd auf einem Hügel. Die Gassen sind eng, wie nicht anders zu erwarten, Autofahren ist hier eine echte Herausforderung, vom Parken ganz zu schweigen. 

Alcalá de Los Gazules.

Es gibt heute einen kleinen Markt mit einer großen Auswahl an Winterdecken, an Kleidung, von der Kittelschürze bis zur eleganten Garderobe und natürlich an Obst und Gemüse. Es ist gar nicht so viel los, aber alle unterhalten sich lautstark und schnell, und der Lärmpegel ist beachtlich. So wie man sich Spanien eben vorstellt.

In einer Kneipe bestelle ich ein Tomatenbrötchen – denke ich jedenfalls. Statt dessen kommt ein trockenes Baguette mit einer Plastikflasche. OK – vielleicht habe ich was falsch verstanden. In der Flasche ist eine Tomatensauce, die tatsächlich extrem lecker schmeckt: wie aus frischen Tomaten selbst eingekocht.

Die Geschäfte verstecken sich hinter schmalen Türen und haben häufig nicht einmal Schaufenster. Man blickt in schmale, dunkle Räume, die oft vollgestopft sind mit Waren. Aber vielleicht ist das kühle Dunkel im heißen andalusischen Sommer das einzig Richtige.

Sonntag, 28.11.

So haben wir uns die „Winterferien“ vorgestellt: Strahlender blauer Himmel ohne auch nur ein Wölkchen! Draußen sitzen im T-Shirt, bei ca. 20 Grad in der Sonne. Wir entscheiden, dass wir nichts machen und noch einen Tag bleiben. Nach dem Frühstück gehen wir zum Kaffee in die Camping-Bar.

Montag, 29.11.

Nach einem Stopp in unserem Lieblings-Tante-Emma-Laden (Manolitos!) in Alcalá fahren wir heute nur ca. 90 km durch den Naturpark Parque Natural Los Alcornocales zur südlichsten Spitze Kontinentaleuropas, nach Tarifa. Wir wollen Surfer gucken und ein bisschen am Strand spazieren.

Man weiß ja, dass die Meerenge von Gibraltar eben das ist – eine Enge. An der engsten Stelle ist sie nur 14 km breit. Dass aber Afrika zum Greifen nah ist, das macht man sich vorher doch nicht so klar. Von unserem Stellplatz sehen wir das Atlasgebirge von Marokko und beobachten die Schiffe, die die Meerenge passieren (es sind rund 300 am Tag). Wir starten unseren Aufenthalt mit Tapas im Camping-Restaurant und genießen das Licht über dem Meer, den schönen Tag und die grandiose Aussicht.

Das Land gegenüber ist bereits Afrika

Zwischen unserem Campingplatz und Tarifa liegt eine langgestreckte Bucht mit feinstem Sandstrand – ein Eldorado für Surfer. Wir sehen Windsurfer, Kite-Surfer und eine uns völlig unbekannte Variante: Boards mit Foils und einer Art aufblasbarem Flügel, der nur mit den Händen gehalten wird. Alle Varianten fliegen wild über die Bucht, die Könner springen meterhoch aus den Wellen und fetzen nur so durchs bzw. über das Wasser. Auf einem Parkplatz sieht man, woher die Surfer kommen: aus ganz Europa. Bis aus Schweden. Es scheint hier wirklich ein Eldorado zu sein.

Die Bucht mit Tarifa im Hintergrund – Europas südlichste Stadt.
Surfer mit Wings und Surfbrett mit Foils.

Dienstag, 3

Nach einer langen Nacht (und mehreren Flaschen Rotwein) mit unserm Nachbarn Thorsten, haben wir uns heute entschieden, die ganze Woche hier zu bleiben. Der Stellplatznachbar, passionierter Surfer, kommt sei 30 (!) Jahren aus Hamburg hierher. Dieses Jahr bleibt er erstmals von November bis Februar. Und tendieren dazu, ihm zu glauben, als er sagt: „Dies ist die schönste Ecke an der spanischen Küste.“

Das Highlight am Abend

Mittwoch, 1.12

Tarifa lebt vom Wind! In der südlichsten Stadt Europas wehen praktisch ganzjährig starke Winde: der Levante aus Osten, der Wärme und gelegentlich Sand aus der Sahara mitbringt und mit Windstärken von 7-9 recht ruppig sein kann. Und der kühlere, etwas schwächere Poniente aus Westen mit Windstärken um 6. Diese ständige Verfügbarkeit von Wind hat Tarifa zu einem der drei weltweit besten Hotspots zunächst für Windsurfer, und inzwischen für Kite-Surfer werden lassen. Der Tourismus des Ortes ist weitgehend auf die Surfer ausgerichtet, die Windverrückten, wie die Spanier sie nennen.

Eine andere Einnahmequelle sind die großen Windparks, die (mit Europäischen Subventionen) auf den Hügeln hinter Tarifa errichtet wurden. Fischfang hingegen ist keine nennenswerte wirtschaftliche Größe mehr, obwohl hier immer noch roter Thunfisch gefangen wird.

Donnerstag, 2.12.

In der Nacht regnet es, und morgens ist der Himmel bewölkt. Das ändert sich aber im Laufe des Tages: Es klart immer mehr auf, die Sonne scheint, und es ist nicht ganz so windig wie an dem vergangenen Tagen. Unglaublich, dass wir am 2. Dezember tagsüber mit dünnem Pulli in der Sonne sitzen können. Unglaublich sind auch die langen Tage hier. Die Sonne geht kurz nach 8 auf und erst kurz nach 18 Uhr unter. Und dann das Licht! Nicht umsonst heißt die Küste hier „Costa de la Luz“. Es ist gleichzeitig mild und gleißend, was vielleicht auch an der Wintersonne liegt. Man kann nicht genug davon bekommen. Zusammen mit dem ständigen Meeresrauschen macht das absolut süchtig. Wir sind so glücklich, dass wir hier sein dürfen und genießen jede Minute.

Für heute haben wir uns einen Stadtbummel in Tarifa vorgenommen. Wir parken am Hafen und spazieren zunächst auf den Damm zur Insel Isla de las Palomas, die der Stadt vorgelagert ist. Die Insel selbst ist militärisches Sperrgebiet und darf deshalb nicht betreten werden. Dort werden auch die Bootsflüchtlinge, die aus dem Meer gerettet werden, in Lagern untergebracht.

Blick auf die vorgelagerte Insel mit Leuchtturm. Links das Mittelmeer, rechts der Atlantik.

Wir beobachten einen Schwimmer, der im Neoprenanzug mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Bucht zwischen Insel und Hafen – und zurück – krault. Wir sehen Schwimmhilfen an den Händen, und wahrscheinlich trägt er außerdem Flossen, aber er schwimmt damit fast so schnell wie wir laufen. Wir wissen nicht, wo er an Land gegangen ist; wahrscheinlich schwimmt er immer noch.

Wir laufen die Mole entlang und danach durch Tarifa.


Die Ursprünge von Tarifa sollen in phönizische Zeit zurückreichen, gesichert ist die Besiedlung durch die Römer im 1. Jahrhundert v.Chr. Geprägt wird das Bild der Altstadt bis heute durch den Einfluß der Mauren, die Tarifa im Jahr 710 eroberten und im 10. Jahrhundert die Festung am Hafen errichteten. Die Weihnachtssterne, die derzeit in den Straßen hängen, wirken ein ganz klein wenig deplatziert. Ebenso wie die sehr abstrahierten Weihnachtsbäume. Aber es ist auch in der Stadt das Licht, das jede Perspektive fast unwirklich schön erscheinen lässt.

Haben wir schon erwähnt, dass wir bis spät abends in Decken und Winterjacken gehüllt auf unserem Platz sitzen und dem Meer zuhören?

Hier noch ein paar Vorschläge zum Zeitvertreib in Tarifa:

Freitag, 3.12.

Wir grillen zum Mittagessen. Danach eine Halbtageswandrrung in die Berge im Hinterland und zu dem Windpark dort oben. Direkt hinter der Nationalstraße, die der Küste entlang führt, beginnt der „Naturpark der Korkeichen“. Der Wanderweg wird „Budda-Weg“ genannt, weil ein Scherzkeks (oder ein Erleuchteter) eine kleine Budda-Figur in eine Felsnische gestellt hat. Der Budda wird offenbar häufig besucht, wie man an den vielen Fähnchen und Opfergaben erkennen kann.

Die Windräder sind übrigens gar nicht so leise wie man denkt – sie machen durchaus Geräusche. Von oben hat man spektakuläre Ausblicke auf die Küste, auf die Straße von Gibraltar und nach Marokko.

 Samstag, 4.12.

Wir entscheiden uns, noch bis Donnerstag zu bleiben und verbringen den halben Tag unten im Restaurant, um Schiffe und Windsurfer zu beobachten.

Es gibt eine app namens „VesselFinder“, mit der man den Schiffsverkehr auf der ganzen Welt nachverfolgen kann. Die Schiffe werden nach Typen unterschieden (vom Kriegsschiff bis zum Segelboot) und genau beschrieben: Größe, Tonnage, unter welcher Flagge und wohin sie fahren. Außerdem sind Fotos hinterlegt. Wenn sich also ein Riesenpott mit einem selbst von weitem gigantischen Aufbau an Containern durch die Straße von Gibraltar schiebt, dann kann man anhand der App meistens genau feststellen, welches Schiff das ist. Beeindruckend ist jedenfalls, wieviele Schiffe ständig unterwegs sind – Tag und Nacht. 

Sonntag, 5.12.

Wir machen einen Ausflug ins benachbarte Bolonia, wo man eine Sanddüne und eine gut erhaltene römische Ausgrabungsstätte besichtigen kann. Wir merken allerdings bald, dass es eine blöde Idee war, diese Tour auf einen Sonntag zu legen. Gefühlt haben alle andalusischen Familien heute die gleiche Idee. Wir verschieben das Ganze kurzerhand auf einen Wochentag und machen statt dessen ein Picknick auf dem Hügelkamm zwischen den beiden Orten. Fasziniert beobachten wir einen Hund, der eine halbe Stunde lang versucht, in einen offenen Müllcontainer zu springen. Vergeblich – aber vielleicht besser für den Hund. Wer weiß ob er auch wieder herausgekommen wäre.

Claus setzt mich unterwegs ab, damit ich eine neue Wandertour ausprobieren kann. Der Rundwanderweg endet bei einer riesigen Düne, die sich unaufhaltsam ins Land schiebt. Auf dem Rückweg läuft man im Sand – wie am Strand, aber das Ganze im Pinienwald. Sowas habe ich noch nie gesehen. Die Pinien wachsen gewissermaßen im Sandboden.

Düne frisst Straße. So wie es aussieht, muss hier regelmäßig Sand geräumt werden.

Unterwegs bin zwar nicht ich, aber immerhin mein Handy mal kurz in Afrika:

Montag, 6.12.

Wir müssen einkaufen – es ist Ebbe im Kühlschrank. Damit ich gleichzeitig meinen Auslauf bekomme, laufe ich am Strand nach Tarifa, und Claus pflückt mich dort auf. Der Tag ist wieder wie gemalt – Wind, Sonne, Surfer. 

Ich entdecke eine neue Surf-Variante: Flight-Surfing. Hier sind die Kites größer und bestehen aus vielen mit Luft gefüllten Würsten, was ein bisschen aus wie eine Daunendecke aussieht. Die Bretter sind ganz kurz, die Foils dafür umso länger. Damit fliegen die Surfer nur so übers Wasser. Alle tragen Helme – diese Variante scheint also nur etwas für die absoluten Profis zu sein. 

Der Einkauf klappt leider nicht, weil in Spanien am 6.12. ein Feiertag ist. Gefeiert wird aber nicht Nikolaus, sondern der Tag der Spanischen Verfassung.

Läden geschlossen – es ist Feiertag.

Wieder was gelernt, aber der Kühlschrank bleibt trotzdem leer. Wir essen statt dessen bei unserem Lieblingsspanier, dem Campingwirt. Der übertrifft sich bei „Calamares“ mit einem ganzen Tier! 

Wir dachten, Calamares wären kleine runde Tiere :-

Dienstag, 7.12.

Morgen, 8.12., ist wieder ein Feiertag, und zwar Mariä Empfängnis (was nach unserer Zeitrechnung nicht so ganz stimmen kann: 8.12. Empfängnis, 24.12. Geburt??). Jedenfalls ist damit wohl heute ein Brückentag. Wir holen unseren Ausflug nach Bolonia nach, aber es ist auch heute wieder relativ voll. Egal. Nach einem Kaffee in einer Strandkneipe erklimmen wir die Wanderdüne, die sich hier in Verlängerung des sagenhaften Sandstrandes in den Pinienwald schiebt. Sie hat den Pinien buchstäblich die Luft genommen. Die Strünke ragen grotesk aus dem Sand. Die Düne ist etwa 30 Meter hoch und hat zwischendurch richtiggehende Krater. Das Ganze erinnert sehr an eine Skipiste.

Blick von der Wanderdüne aus Richtung Bolonia.
Das waren mal Pinien!

Während des Dünenausflugs haben sich die Besuchermassen im archäologischen Museum verzogen. Baleo Claudia, eine römische Kleinstadt zwischen dem 2. Jahrhundert vor bis zum 3. Jahrhundert nach Christus, ist eine kleine Sensation. Die Umgebung ist völlig unbebaut, und die Ruinen bilden eine kleine Stadt ab, die man sich gut „in Funktion“ vorstellen kann. Es gibt ein gut erhaltenes Aquädukt, das Forum mit einer Figur von Trajan, eine Ladenpassage, ein Theater und ein großzügiges und komplex aufgebautes Badehaus mit Fußbodenheizung. Baela Claudia war ein Zentrum für Fischverarbeitung: Die Römer verarbeiteten hier Fische (vor allem Thunfisch) und produzierten in großem Stil eine Würzsauce auf Fischbasis (Garum), die von hier aus in das ganze römische Reich exportiert wurde. 

Im Hintergrund Basilika.
Therme mit Fußbodenheizung.

Nach unserem Ausflug nach Bolonia holen wir den Einkauf vom Vortag nach. Im Supermarkt geht es zu wie in jedem Supermarkt vor einem Feiertag. Das Sortiment ist schon etwas dezimiert, zumindest was Obst und Gemüse angeht. Dafür werden noch vollständige Mahlzeiten angeboten:

Wir verzichten, obwohl die Kartoffeln schon sehr lecker aussehen.

Mittwoch, 8.12.

Wir beschließen, noch eine Woche in Tarifa zu bleiben. Schöner geht es einfach nicht. Der Ausflug an den eigentlich traumhaft schönen Strand von Bolonia gestern hat uns vor Augen geführt, was uns in Tarifa so besonders gut gefällt: Es ist die Kombination aus Sonne und Strand mit Wind und Surfern. Außerdem ist der Campingplatz nett und perfekt organisiert, das Hinterland bietet wunderbare Wamdermöglichkeiten, und Ausflüge in die Umgebung können wir ja auch noch machen. Also: Wir bleiben und werden von hier aus direkt wieder nach Hause fahren. 

Nachdem diese Entscheidung gefällt ist, genießen wir das Meer gleich doppelt und machen einen Strandspaziergang.

Donnerstag, 9.12.

Claus fährt mich nach Tarifa, wo ich eine Wanderung entlang der Küste nach Osten mache, also Richtung Algeciras, bzw. Gibraltar. Die Küste ist hier relativ steil, es gibt keine Strände. Die Straße von Gibraltar ist hier am engsten. Das heißt, alle durchfahrenden Schiffe und das Atlasgebirge auf der marokkanischen Seite sind zum Greifen nah.

Containerschiff vor dem Jbel Musa (851 m).
Blick auf Tarifa und Hafen von Osten.

Freitag 10.12.

Dass das Wetter auch hier nicht immer nur schön ist, zeigt sich heute. Über den Bergen ziehen dunkle Wolken auf. Es stürmt. Alles wirkt gleich ungemütlicher. Für die Wind- und Kitesurfer hingegen ist es spitze.

Samstag 11.12.

Heute wandere ich nach Tarifa und zurück – das sind 18 km Strandspaziergang. In der Stadt herrscht eine extrem entspannte Stimmung mit vielen Familien, fröhlichem Palaver und einem sehr guten Gitarrespieler. Auf dem Meer spielen die Kitesurfer Skischule: Immer dem Lehrer nach und dann der Reihe nach wenden.

Sonntag 12.12.

Wir machen einen Ausflug zu einem Leuchtturm an der Bucht gegenüber von Gibraltar: Faro de Punta Camero. Das Wetter ist traumhaft, ebenso wie die Fahrt dorthin, die uns über die Berge und danach auf ein kurviges Küstensträßchen führt. In der Bucht von Gibraltar herrscht reger Schiffsverkehr, und wir sehen Schiffe in jeder Größe, vom 7m-Motorboot bis zum Containerfrachtschiff.  In der Nähe des Leuchtturms kehren wir ein und genießen den Thunfisch und den Blick auf den Felsen von Gibraltar. 

Heute ist übrigens zum ersten Mal Ostwind. Das ist der Levante, von dem man uns schon berichtet hat. Es ist erstaunlich, was sich dadurch alles ändert. Obwohl der Wind stärker ist, sind die Wellen kleiner und kürzer (klar, sie können sich auch nicht über dem Meer aufbauen), und die marokkanische Küste ist im Dunst verschwunden. Man sieht sie erst am Abend wieder, wenn die Lichter angehen.

Montag 13.12.

Wir wollen am Mittwoch unsere Rückreise antreten. Ein Problem ergibt sich dadurch, dass wir bei der Einreise in die Schweiz einen PCR-Test vorweisen müssen, der nicht älter als 72 Stunden sein darf. Ein Test in Spanien scheidet aus, weil das Testergebnis erst nach 48 Stunden vorliegt. Nach einiger Rechnerei entscheiden wir uns, den Test in Südfrankreich direkt hinter der spanischen Grenze machen zu lassen. Die Franzosen versprechen das Ergebnis schon nach 24 Stunden – das  müsste also klappen.

Heute nur ein kurzer Spaziergang in die anderer Richtung, nach Westen. Der Ostwind ist heute nochmal stärker, und der Rückweg gegen den Wind fühlt sich an wie bergauf laufen.

Dienstag 14.12.

Unser letzter Tag in Tarifa. Wir sind schon ziemlich wehmütig, dass wir morgen abreisen. Wir fahren ein letztes Mal nach Tarifa zum Einkaufen – Lebensmittel und Mitbringsel. Ich laufe dann zurück, diesmal bei Oststurm. Es windet so stark, dass der Sand über den Strand peitscht und dass der kleine Bach, den man immer barfuß durchqueren muss, plötzlich ziemlich reißend ist. Es sind nur wenige Surfer unterwegs, aber die sind – wie ich mir später erklären lasse – Weltspitze. Ich beobachte drei Kite-Surfer, die geschätzt 10-15 Meter Höhe Sprünge machen. Es ist ein echtes Schauspiel.

Abends beschließen wir, zum Abschied im Campingrestaurant zu essen. Und wie es eben so ist – wir sitzen auf der Terrasse, sitzen mit mehreren Camperkollegen zusammen und verbringen einen extrem netten Abend bis nach Mitternacht. Alle, die wir kennenlernen, kommen schon seit Jahrzehnten auf diesen Campingplatz in Tarifa, und sie berichten vom „Tarifa-Virus“, der viele Gäste befällt. Und zwar egal ob Surfer oder (wie Barbara und Manni) sogenannte „Strandläufer“. Viele bleiben Monate, vor allem im Winter. Wir treffen eine Schweizerin, die uns auf unser TG-Kennzeichen anspricht. Sie kommt aus Bottighofen. Die Welt ist klein.

Mittwoch 15.12.

Der Abschied fällt uns richtig schwer. Wir starten gegen den Ostwind und kämpfen uns über die Berge nach Algeciras. Die ersten beiden Stunden Fahrt der Küste entlang sind anstrengend wegen des Windes. Erwartungsgemäß ist die Küste immer stärker bebaut, je weiter wir nach Osten fahren. Wir wussten es ja schon: Kein Vergleich mit Tarifa. Wo die Bebauung endet, beginnt sofort wüstenartige Ödnis. Auf Höhe Málaga biegen wir nach Norden ab Richtung Granada und fahren durch die Sierra Nevada, deren obere Bergspitzen tatsächlich schneebedeckt sind. Noch vor Granada beginnen die Olivenhaine. Genauer – Olivenberge. Bis zu unserem Übernachtungsziel in San Elena fahren wir fast 200 km durch Olivenplantagen in den Bergen der Sierra Nevada und in den Ebenen danach. Wir sehen Plantagen mit Olivensetzlingen und knorrige Olivenbäume. Alles in fein säuberlichen Monokulturen. Dazwischen wächst nur ein bisschen Gras. Echt krass das Ganze. Mal schauen, wie lange die Olivenhaine morgen  weitergehen.

Wir haben die gps-Daten des Campingplatzes ins Navi eingegeben und werden in dem kleinen Ort Santa Elena völlig in die Irre geführt (genauer: auf einen Feldweg zu einem Olivenhain). Nach einem etwas waghalsigen Wendemanöver kommen wir kurz vor Dunkelheit am Campingplatz an. Obwohl der Platz praktisch leer ist, bekommen wir einen Stellplatz zugewiesen, ca. hundert Meter vom nächsten Camper entfernt (wahrscheinlich eine Corona-Vorsichtsmaßnahme). Und plötzlich ist unser Spätsommerurlaub zu Ende. Während es tagsüber nämlich noch angenehme 16 Grad hatte, kühlt es hier abends schnell auf 3-4 Grad ab, und damit ist es aus mit dem abendlichen Draußensitzen. 

„Shining“

Donnerstag, 16.12

Heute fahren wir knapp 500 km bis an einen Badeort hinter Valencia. Die Fahrt ist abwechslungsreich – von den Ebenen der la Mancha mit endlosen Olivenfeldern und riesigen Windparks über einen kleinen Gebirgszug bis in das fruchtbare Delta von Valencia, in dem Orangenplantagen dominieren. Die Mittelmeerküste bei dem kleinen Ort Mancofa, wo wir auf einem Campingplatz landen, ist eigentlich recht häßlich. Aber egal, wir sehen immerhin das Meer und wollen ja nur übernachten.

Campingplatz mit Bauarbeiten: Der Damm wird um gut 5m erhöht.
Windpark in der La Mancha.
Strand von Mancofa.

Freitag, 17. und Samstag 18.12.

Wir machen einen Stopp in L‘Escala an der Costa Brava, um eine liebe Freundin zu besuchen. Die Küste ist hier sehr malerisch mit vielen kleinen Buchten. Die ganze Gegend lebt vom Tourismus und von Spaniern, die hier ihre Ferienwohnungen haben. Das ehemalige Fischerdorf L’Escala hat rund 11.000 Einwohner, aber im Sommer sind hier 100.000 Gäste. Wie unsere Freunde bestätigen, ist das Jahr hier zweigeteilt: Saison oder keine Saison. Jetzt sind keine Touristen hier, die Restaurants und viele Geschäfte haben geschlossen, in den Ferienhäusern und Appartementgebäuden sind die Rolläden heruntergelassen. Es ist ein bisschen tot, aber die Sonne scheint, und auf dem blauen Meer blitzen weiße Segelboote. Man kann schon verstehen, dass Leute im Süden überwintern. Sobald die Sonne scheint, ist auch die gute Laune da. 

Alle Rolläden sind unten.
Promenade von L‘Escala.

Zum Mittagessen werden wir in ein First Class-Restaurant eingeladen, das in einer kleinen Bucht direkt am Meer liegt. Das Ambiente ist einfach wunderbar, das Essen extrem fein und sehr ästhetisch angerichtet und der Service perfekt.

Ausgezeichnete Lage und ausgezeichnetes Essen
Das Hotel hat einen eigenen Strand – und wunderschönen Blick.

Wir übernachten auf einem idyllischen Campingplatz mitten in der Stadt, nur 100 m von unserer Freundin entfernt. Der Campingplatz ist ganz nah am Meer und hat auch noch einen eigenen kleinen Badesee. Wirklich ganz reizend! Leider soll er in zwei Jahren aufgelöst und an seiner Stelle ein Luxushotel gebaut werden. Die Investoren kann man verstehen, aber schade ist es trotzdem.

Sonntag, 19.12.

Heute ist ein Fahrtag. Wir nutzen den Sonntag, um mit relativ wenig LKW-Verkehr durch Frankreich zu fahren, genauer, zu unserem ersten Stellplatz in Aix-les-Bains. Die Fahrt führt uns an den Pyrenäen und am Alpenrand vorbei und ist völlig problemlos.

Schneebedeckte Pyrenäen.
Bei Sonnenuntergang sind wir in den Alpen.

Beim Stellplatz in Aix-les-Bains funktioniert das Kartenlesegerät für die Bezahlung zwar immer noch nicht (wie schon auf der Hinreise), aber inzwischen hängt wenigstens ein Zettel dran, dass man die Hotline anrufen soll.

Montag, 20.12.

Die Schweiz hat während unserer Rückreise die Einreisebestimmungen nochmal verändert: Jetzt reicht ein einfacher Antigentest sowie ein Formular, das ausgefüllt vorgelegt werden muss. Den Antigentest machen wir in Aix-les-Bains nach dem zweiten Anlauf. Die erste Apotheke hatte keine Test-Termine mehr frei, bei der zweiten klappt es.

Solcherart gut gerüstet, fahren wir also bei Genf über die Grenze und werden am Zoll tatsächlich angehalten. Doch was will die freundliche Zöllnerin von uns wissen? Will sie das Testergebnis oder das ausgefüllte und vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bestätigte Formular sehen? Nein will sie nicht. Sie hat wichtigere Anliegen: „Händ Sie Ware dabii?“ Als wir etwas verdutzt verneinen, hakt sie sicherheitshalber nochmal nach, ob wir vielleicht Wein oder Fleisch dabei hätten. OK! Die Prioritäten sind also klar. Der Import von Fleisch, bzw. dessen Vermeidung ist ja auch wirklich wichtiger als so ein blödes kleines Virus.

Die Fahrt verläuft unkompliziert und sogar ohne Staus. Die schneebedeckte trübe Landschaft wärmt nun nicht gerade die Seele, aber wir konnten in den vergangenen Wochen ja genügend Sonne tanken.

Grau in grau…

Auf den letzten Kilometern hinter Zürich reißt aber doch tatsächlich der Himmel auf und wir fahren bei Sonne zum See hinunter. Das ist ein schönes Ankommen nach einer ganz wunderbaren Reise.

Der erste Blick auf den Bodensee von Kreuzlingen aus. Aussentemperatur 2 Grad.

Hier unsere Route im Überblick:

Hinfahrt
Rückfahrt

Noch eine kleine Ergänzung für unsere Statistiker:
Wir sind auf der gesamten Tour 5.326 KM gefahren.
Und haben auf dieser Reise 32 mal in unserem Wohnmobil übernachtet.
Der Durchschnittsverbrauch liegt nun insgesamt bei 9,8 Litern Diesel auf 100km.
Hinzu kommt ein Verbrauch von ca. 4L AdBlue auf 1.000km.

Die beiden Lithium-Batterien waren nach 13 Tagen auf dem Campingplatz (ohne Landstrom) leer. Die Solarzellen bekamen täglich ca. nur 5 Stunden Sonne (aus einem relativ ungünstigen Winkel), aber wir haben trotzdem unsere iPhones und iPads mehrfach täglich geladen, und der Kühlschrank sowie die Innenbeleuchtung waren in Betrieb.
Nach 28 Stunden Anschluss am Landstrom hatten beide Batterien wieder je 99% Leistung.

Unsere Trocken-Trenn-Toilette reichte gut 20 Tage. Danach haben wir einen neuen Kokosziegel angesetzt – und alles war wieder parat.

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