Im Vorfeld dieser Reise haben wir einige weitere „Optimierungen“ an unserem WoMo vorgenommen: Zum einen haben wir für das Bett einen dicken Topper gekauft, da die Matratze zu hart war. Zum anderen einen neuen Fahrradträger, da ein zweites eBike hinzugekommen ist und die Tragfähigkeit des alten Trägers nicht mehr ausreichte. Der „Neue“ ist nun mit 70 kg belastbar und wird auf der Anhängerkupplung montiert (vorher an der Hecktüre) – wodurch auch das Beladen einfacher wird, da man die Räder nicht mehr über Kopf heben und befestigen muss. Beide Neuerungen haben sich schon sehr bewährt.
Sonntag 13.3.
Wir starten! Endlich!!! Dass wir zwei Wochen das gepackte Wohnmobil vor der Tür stehen hatten und nicht loskamen – das war eine Premiere. Aber erst waren wir nacheinander krank, und dann hatte ich einen positiven Corona-Test, der sich zwei Tage später als falsch herausstellte. Jedenfalls: Am. Sonntag. Sind. Wir. Losgefahren!
Es hat ja schon ein bisschen Tradition, wenn wir unser Reiseziel am Abend vorher über den Haufen werfen. Wir wollten nach Sizilien, hatten uns schon richtig eingelesen, Reiseführer heruntergeladen und Karten gekauft. Aber wir waren uns plötzlich einig, dass wir da momentan nicht hinwollten. Zu weit. Zu unsicher. Und laut Wetterapp auch nicht wesentlich wärmer als die Côte d’Azur. Die wiederum in Frankreich liegt, wo es uns sowieso mehr hinzieht und wir uns sprachlich verständigen können.
Gespräch beim Frühstück am Samstag:
Jeannine: „Sag mal, Du willst doch eigentlich nicht nach Italien?“
Claus: „Wieso?“
Jeannine: „Ich will auch lieber nach Frankreich!“
Also, am Sonntag bei strahlendstem Wetter über die Züricher Strecke Richtung Gotthard gefahren. Auf der Raststätte kurz vor dem Tunnel hat uns ein Föhnsturm schier die Kaffeebecher aus den Händen geweht. Aber immer noch blauester Himmel.
Damit war es vorbei, als wir auf der anderen Seite herauskamen. Ab jetzt war es grau und trübe und kälter. Dafür gab es wenig Verkehr und kaum LKWs auf der Straße. Um Mailand herum war natürlich mehr los, aber kein Vergleich zu unter der Woche.
Da wir ja erst gegen Mittag losgefahren waren (keine Ahnung, wie andere es schaffen, schon frühmorgens auf der Piste zu sein), war auch klar, dass wir erst im Dunkeln unseren ersten Campingplatz erreichen würden. So früh in der Saison haben noch nicht viele Plätze geöffnet, deshalb standen nur Mailand oder ein Platz hinter Genua zur Verfügung. Da wir Mailand unbedingt am Sonntag umfahren wollten, blieb nur der zweite. Der war aber auch gleich ein Volltreffer. Sehr idyllisch im Hinterland, ziemlich verwaist um diese Jahreszeit. Aber ein sympathischer und freundlicher Platzwart und ein Restaurant mit Pizzaofen und leckerster Pasta. Das Ganze in gleissendes Licht getaucht, so gemütlich wie eine Eisdiele, also richtig authentisch. Und eben lecker!
Damit ihr eine Vorstellung bekommt:
Kleine Vorspeise, Schwertfisch mit spezieller Pasta, Calamares mit Friten, Pizza Diavola, 1 Flasche Barbera, 1 FL. Mineralwasser, 2 Grappa – alles wirklich superlecker und das für insgesamt EUR 55.-
Montag 14.3.
Schon die ganze Nacht durch regnet es, was übrigens sehr gemütlich ist in unserer Schlafkoje. Nachts wachen wir auf und überlegen, wie ungerecht es ist, dass wir es selbst im Urlaub so gemütlich haben, während viele Ukrainer schon wochenlang in Kellern und U-Bahnhöfen ohne ausreichende Versorgung ausharren. Der Krieg ist immer im Hinterkopf – und übrigens auch ein Grund, warum wir lieber nicht ganz so weit wegfahren.
Morgens regnet es immer noch und ist 7 Grad kalt. André ruft mit FaceTime an und zeigt uns, wie er in in Zürich der Sonne sitzt. Wir verabschieden uns von dem netten Platzwart, versprechen wiederzukommen und fahren auf der Autobahn der Küste entlang Richtung Westen. Die Autobahn besteht eigentlich nur aus Tunneln und Brücken. Immerhin wird das Wetter gaanz langsam besser, es regnet nicht mehr, und die Temperaturen schrauben sich auf 12 Grad hoch.
San Remo kennt man eigentlich vor allem von der Kopie in USA, Konkurrenz zu Las Vegas. Der ursprüngliche Ort liegt hier an der italienischen Riviera, war schon im 19. Jahrhundert beliebt bei Adel und Prominenz und hat ebenfalls ein Spielcasino. Wir landen auf einem Campingplatz direkt am Meer.
An der Rezeption weist man uns auf einen Fahrradweg hin, der der Küste entlang führt. Wie sich herausstellt, wurde für diese Fahrradstraße – das ist es nämlich – eine stillgelegte Bahnstecke verwendet – inklusive Tunnels. Nach einer ausgiebigen Tour gibt es „Grüne“ (Pinimentos de Padron), Pasta und Broccoli – danach geht‘s früh in die Heia. (Der neue Topper ruft!)
Wir bleiben zwei Tage in San Remo. Am Dienstag zeigt sich auch erstmalig, ganz schüchtern, die Sonne. Die Temperatur ist mit ca. 15 Grad angenehm, aber es weht eine steife Brise.
Dienstag, 15.3.
Claus legt einen Campingtag ein, während ich mich auf den Weg in die Stadt mache, was ohne e-Bike übrigens schlichtweg nicht möglich wäre.
Ich fahre zunächst am Prachtbau des städtischen Spielcasinos und an diversen Mehr-Sterne-Hotels aus der Belle Époque entlang immer weiter nach oben (steil! aber dank „Sport“-Modus gar kein Problem), bis ich zu der Kirche gelange, die von unten sichtbar über der Stadt thront. Die Kirche trägt den sperrigen Namen Sancutario della Madonna della Costa und ist ein Barock-Juwel in einmaliger Lage. Diverse Marmorstatuen im Inneren zeugen davon, dass den Gläubigen früher durchaus eine gesunde Angst (vor was eigentlich?) eingeflößt werden sollte. Anders kann man die grausige Statue von Judith mit dem Kopf des Holofernes und den diabolisch aussehenden Moses mit der Gesetzestafel nicht deuten.
Die eigentliche Altstadt von San Remo, La Pigna, liegt unterhalb der Kapelle und ist nur zu Fuß zu erkunden. La Pigna ist ein einzigartiges mittelalterliches Ensemble mit kleinen Plätzen und engen Gassen, die über längere Strecken überbaut sind. Die hohen Häuser lassen kaum Licht durch, was im Sommer sicher sehr effektiv die Hitze abhält. Der immer noch etwas ärmliche Eindruck dieser Altstadt steht in scharfem Kontrast zu der Einkaufsmeile mit ihren Edelboutiquen und Uhrengeschäften nur wenige Meter weiter.
Abends gehen wir im Campingrestaurant essen und werden dabei sehr an vergleichbare Etablissements bei Hapimag erinnert. Aber das Essen ist gut, und zum Rauchen werden wir in eine Veranda verfrachtet, wo extra für uns ein Heizpilz angezündet wird. Umweltschädlich, aber sehr freundlich und schön warm.
Mittwoch, 16.3
Da wir am Vorabend die Räder schon auf dem Gepäckträger montiert haben, sind wir früh unterwegs. Zumindest relativ!
Wir fahren der Küstenstraße entlang bis Ventimiglia an der französischen Grenze. Für die 20 km brauchen wir 40 Minuten, aber wir sehen auch was von den Städtchen, durch die wir fahren. Weil wir eine falsche Abzweigung nehmen, landen wir wider Willen doch auf der Autobahn. Die nächsten ca. vier Stunden sind wir mit der Suche nach einem Campingplatz beschäftigt. Der erste gefällt uns zwar, liegt aber in einer ziemlich scheußlichen Gegend zwischen Nizza und Cannes. Der zweite ist in der Pampa und sieht völlig abgewrackt aus, der dritte hat eigentlich geschlossen. Wir könnten zwar übernachten, müssten aber am darauffolgenden Tag den Platz verlassen für ein Moto-Cross-Rennen. Am Ende landen wir wieder auf Platz 1 im Industriegebiet von Villeneuve-Loubet. Immerhin ist das Meer nah – wenn auch völlig zugebaut. Ein richtiges Wahrzeichen ist die Wohn- und Hafenanlage „Marina Baies des Anges“ (Bucht der Engel) direkt vor uns.
Fazit? Camping in der Vorsaison hat gewisse Herausforderungen, vor allem, wenn man gerne auf Campingplätzen übernachtet. Wir sind mindestens zwei Wochen zu früh dran – ab April öffnen viele wieder.
Donnerstag, 17.3.
Am Nachmittag mache ich mich mit dem e-bike auf Richtung Antibes und Cannes. Weil der Radweg kurz vor Cannes aufhört und ich der Straße entlang fahren müsste, drehe ich wieder um und fahre statt dessen durch Juan-les-Pins und um das Cap d‘Antibes, wo eine Prachtvilla an der anderen steht. Die Strandpromenade von Juan-les-Pins ist wohl so, wie alle Strandpromenaden hier an der Küste: Mehrstöckige (Ferien-)Wohnanlagen mit Balkonen zum Meer, im Erdgeschoss Geschäfte und Restaurants, davor die Straße und davor La Plage, der Strand. Um diese Jahreszeit ist die Hälfte der Kneipen geschlossen, aber in der anderen Hälfte nutzen die Gäste in ihren Daunenjäckchen den kleinsten Sonnenstrahl. Den gibt es hier übrigens momentan nur sehr spärlich bis gar nicht. Die Côte d‘Azur, berühmt für ihr Licht, ist momentan eher eine Côte de Blanc. Ein weißlicher Himmel saugt die Farben aus allem heraus. Nur das Meer ist von einem transparenten Türkis.
In Antibes gibt es ein kleines Picasso-Museum im Schloss Grimaldo, einer ehemaligen Festung am Meer. Die Stadt hatte Picasso im Sommer 1946 angeboten, in einigen leerstehenden Räumen des Schlosses zu malen. Picasso verbrachte zwei äußerst produktive Monate dort und schenkte der Stadt Antibes als Dank die Arbeiten, die er produziert hatte. 1966 errichtete Antibes für ihren Ehrenbürger ein eigenes Museum im gesamten Schloss. Er selbst überwachte die Platzierung und Hängung seiner Werke. Die Arbeiten gruppieren sich um mehrere Themen, wie die griechische Mythologie, Meerestiere und Fischer, und sie umfassen das ganze Spektrum seiner künstlerischen Tätigkeit: Skizzen, Malerei, Keramik, Tapisserien und Skulpturen. Es sind heitere Arbeiten, die von einem glücklichen Sommer (mit der jungen Geliebten Françoise Gillot an seiner Seite) zeugen.
Freitag, 18.3.
Bevor wir weiter der Küste entlang fahren, machen wir einen Abstecher nach St.Paul-de-Vence zur Fondation Maeght. Das Museum beherbergt die umfangreiche Sammlung des Kunsthändlerpaares Aimé und Marguerite Maeght und besteht aus einem Gebäudeensemble mit Garten, das sich harmonisch in die mediterrane Landschaft einfügt. Vor allem der Park mit den vielen Skulpturen, Installationen und Mosaiken von Mirò, Calder, Giacometti und Braque ist ein Erlebnis. Das Erdgeschoss des Museums ist derzeit einer Ausstellung mit Arbeiten des französischen Künstlers Bernard Moninot gewidmet, der Naturphänomene wie Wind, Wolken und Klang in fast wissenschaftlich anmutende Bilder und Installationen umsetzt. Beeindruckend, aber wir hätten lieber noch ein bisschen mehr Mirò und Giacometti gesehen.
Das Museum und der Skulpturengarten entfalten ihr Wirkung durch das gleißende Licht der Provence und durch den Kontrast zwischen den weißen Mauern der Gebäude, dem grünen Rasen, den dunklen Pinienbäumen und dem azurblauen Himmel. Eigentlich. Bei unserem Besuch fehlt diese Dimension völlig. Der weißliche Himmel saugt alle Farben und Kontraste weg, zudem wurde der Rasen im Skulpturengarten neu gesät und ist nur braune Fläche. Sogar das Café hat geschlossen…
Wir fahren weiter und beginnen unsere heutige Suche nach einem Campingplatz. Nach einem Umweg über Fréjus landen wir im provencalischen Hinterland, nahe einem kleinen Dorf namens Callas. Der Platz ist sehr idyllisch, hat gerade geöffnet, und wir sind die einzigen Gäste.
Bevor wir uns installieren und Wäsche waschen, fahren wir noch nach Callas zum Einkaufen. Unser Rangieren in den engen Gässchen und unsere Suche nach einem Parkplatz wird von den Gästen im Dorfcafé interessiert verfolgt. Die ganze Szenerie ist wie in einem französischen Film, sehr authentisch.
Abends wird es bitterkalt, gut haben wir unsere Heizung im Auto. Wir sind beide gefrustet und fragen uns, was wir hier eigentlich machen. Das weißliche Licht geht aufs Gemüt, und Claus, für den Camping auch darin besteht, dass er lange draußen sitzt, friert trotz Winterjacke, Fell und Fleecedecke. Wir haben Sonne und Wärme gesucht, aber daheim ist schöneres Wetter als hier. Auch weiter südlich ist es nicht besser (gut, dass wir nicht extra nach Sizilien gefahren sind). Wir beschließen, noch einen Tag zu bleiben und dann wieder zurück Richtung Ligurische Küste zu fahren. Dort scheint es etwas sonniger zu sein, zumindest laut Wetter-App. Wenn nicht, sind wir zumindest auf dem Weg zurück nach Hause. Wir müssen ja nicht Campen!
Unseren neuen „Beifahrer“ haben wir noch gar nicht vorgestellt: „Wackel-Elvis“. Das Original aus der Audi Werbung in den 90er Jahren. Nun wackelt er für uns!
Samstag, 19.3.
Mittlerweile sind wir nicht mehr ganz alleine: Ein Zelt und ein weiteres WoMo sind hinzugekommen. Immerhin haben wir gestern die Saison hier eröffnet.
Neben dem Wetter das Schlimmste: Obwohl wir in Frankreich sind, bekommen wir morgens weder Baguette noch Croissants. da die Rezeptionen an den Campingplätzen noch nicht richtig besetzt sind. Da fehlt doch echt was zum Camperglück!
Ab Mittag wird es etwas wärmer, und die Sonne versucht, sich durch die weiße Decke zu kämpfen. Ich drehe eine größere Runde mit dem E-Bike und bin wieder begeistert von meinem neuen Gefährt. Ich komme an riesigen Weingütern vorbei: Wir sind in den Côtes du Provence. Auf dem Rückweg wird es gleich wieder empfindlich kalt. Claus findet den Campingplatz zwar sehr idyllisch, aber wir bleiben bei unserem Plan, morgen wieder Richtung Ligurien zu fahren.
Sonntag, 20.3.
Es ist kalt und windig. Wir starten gegen Mittag und fahren durch wunderbare (wenn auch farblose…) provencalische Landschaft zur Autobahn.
An einem Stausee gibt es am Straßenrand eine Art Pop-up-Café, bestehend aus einem als Küche umfunktionierten Lieferwägelchen, einem Dieselaggregat und einigen Tischen. Wir halten, um Kaffee zu trinken und sind ganz hingerissen von der reizenden Tischdeko, dem liebevoll servierten Kaffee (auf Holzbrettchen, mit Schokolädchen und Keks) und der leckeren Portion Pommes, serviert unter einer Wärmehaube. Es ist kalt, windig und ziemlich ungemütlich, aber diese Inszenierung wärmt geradezu das Herz. Der Wirt freut sich über unsere Begeisterung.
Ja, und was soll man sagen: Kurz vor der Grenze zu Italien wird der Himmel langsam hellblau. Die Sonne kämpft sich durch, es gibt plötzlich Licht und Schatten. Bis wir an unserem Zielort Diano Marina (zwischen Imperia und Alassio) angekommen sind, scheint die Sonne! Sie scheint ins Auto, und sie scheint uns ins Gesicht. Wie toll ist das denn!! Wir drehen eine Runde durchs Dorf, schauen aufs Meer und sind einfach nur happy. Abends gibt’s Spargelrisotto.
Montag, 21.3.
Claus bewacht wieder das Wohnmobil und freut sich an dem netten Campingplatz.
Ich fahre dem Meer entlang Richtung Alassio. Unterwegs mache ich Halt in Cervo, klettere die Stufen durch die Altstadt zur Kirche hoch und bin überwältigt von den Ausblicken. Am Weg steht eine rote Bank, die auf Gewalt gegen Frauen und Kinder aufmerksam macht.
Die Kirche läutet kurz vor 12 Uhr eine kleine Melodie, bevor sie die Stunde schlägt. Im Inneren der Barockkirche läuft ein gregorianischer Choral vom Band und versetzt alle Besucher in andächtige Stimmung. Eine Marienfigur trägt eine festliche Lichterkette als Halsschmuck.
Es geht der Küste entlang bergauf und bergab (kein Problem!👍) durch zwei weitere Orte nach Alassio, das hingegossn an einer bezaubernd schönen Bucht und definitiv noch im Winterschlaf liegt. Immerhin haben schon einige Restaurants geöffnet.
Am Stadtpark von Alassio gibt es ein Mäuerchen das sich gewissermaßen verselbständigt hat. Angeblich hat sich Ernest Hemingway dort als erster auf einer Keramikkachel verewigt. Inzwischen ist die ganze Mauer gepflastert mit – zum Teil sehr künstlerischen – Keramikfliesen, mit Skulpturen und natürlich mit den heute obligatorischen Liebes-Schlössern.
Dienstag, 22.3.
Die gute Laune beginnt schon in dem Moment, in dem wir die Jalousie über unserer Schlafkoje wegschieben und die Sonne aufs Bett scheint. Es muss ja nicht unbedingt furchtbar warm sein, aber blauen Himmel und Sonne haben wir dann schon gerne.
Der Ort, an dem wir sind, heißt Diano Marina. Interessanterweise gibt es mehrere weitere Dianos, alles eigenständige Dörfer, die im Tal hinter uns verstreut sind. Das Tal endet in einer weiten Hügelkette, die rund 1000 m hoch ist. Das erste Diano thront direkt hinter uns auf einem Hügel und heißt Diano Castello, ein völlig intaktes mittelalterliches Dörfchen mit Festungsmauer. Weil die Bewohner im Belagerungsfall von der Wasserversorgung abgeschnitten waren, worden sogenannte „Lone“ gegraben, um darin Regenwasser zu sammeln. Eine dieser Lone ist geöffnet und kann besichtigt werden.
In einer romanischen Kirche sind wunderbare Fresken aus dem 12. Jahrhundert erhalten.
Von Diano Castello aus geht es weiter das Tal hoch nach Diano Borello, Diano Arentino und schließlich Diano Evigno. Das ganze Tal ist ein einziger Olivenhain. Hier werden seit Jahrhunderten Olivenbäume auf Terassen kultiviert, die mit Trockenmauern in den Hang gebaut wurden. Wie alt die Bäume sind, kann man nur erahnen. Alt jedenfalls. Manche werden „geköpft“ und treiben danach unverdrossen wieder aus.
In Diano Borello frage ich eine ältere Dame nach dem Weg, und sie lädt mich spontan auf ihre Terrasse zu einem Glas Wasser ein. Sie ist Deutsche, hat schon seit Jahrzehnten ein Ferienhaus hier und kennt sich dementsprechend gut aus. Wir sitzen unter Olivenbäumen (sie hat 13 Stück und presst ihr eigenes Öl), genießen den traumhaften Blick, während sie aus ihrem Leben erzählt. Sie warnt mich, dass der Weg ab hier „in der Pampa“ endet, und das tut er auch wirklich. Dafür wird man mit wunderbaren Blicken auf die Küste und das Meer belohnt.
Abends wollen wir im Dorf essen gehen, aber das Unterfangen scheitert. Wir sind zu früh dran. Die wenigen Restaurants, die nicht mehr im Wintermodus sind, öffnen erst später am Abend. Na ja, Pasta im Wohnmobil geht auch immer.
Mittwoch – Freitag, 23.3. – 25.3.
Am Mittwoch eine Premiere: Wir frühstücken draußen!
Es ist jetzt tagsüber so warm, dass man mit T-Shirt in der Sonne sitzen kann. Wir fahren jeden Tag hinunter zum Strand und genehmigen uns einen Kaffee mit Blick aufs Meer. Abends, bzw. schon tagsüber im Schatten, wird es allerdings gleich kühl, und nachts braucht man wieder die Heizung.
Man hat uns eine Radstrecke in den Nachbarort Imperia empfohlen, die über die Dörfer und die dazwischenliegende Hügelkette führt. Zurück geht es dem Meer entlang über die Landstraße SS1, aber das ist ziemlich gräßlich. Die SS1 folgt übrigens der alten Römerstraße Via Aurelia, die von Rom nach Arles führte. Beim nächsten Mal fahre ich hin und zurück den gleichen Weg über den Berg.
Egal welchen Weg man ins Hinterland nimmt – es ist hier überall schön. Die kleinen Dörfer wirken völlig authentisch und intakt. Jedes hat eine Kirche in der Dorfmitte bzw. am höchsten Punkt des Ortes, weithin sichtbar, wie es sich gehört. Die Friedhöfe sind jeweils an exponierter Lage, oft ebenfalls mit schöner Aussicht, und die Todesanzeigen bestehen aus kleinen Plakaten, die an schwarzen Brettern in jedem Dorf aufgehängt werden.
In Imperia haben die Fratelli Carli – der größte Olivenölproduzent der Gegend – ein informatives kleines Olivenmuseum eingerichtet, praktischerweise gleich neben ihrem Shop. Im Museum wird nicht nur erklärt, dass Olivenbäume die ältesten Kulturpflanzen überhaupt sind (über 6000 Jahre), sondern auch, wie sie aus ihrer Ursprungsregion im Osten des Mittelmeers ihren Weg über Ägypten nach Griechenland und von dort weiter nach Italien und Spanien fanden. Die Römer exportierten zunächst die Olivenbäume und verschifften später das Öl in andere Regionen. Dabei entwickelten sie ein raffiniertes Stapelsystem, mit dessen Hilfe die Amphoren in den Galeeren möglichst platzsparend transportiert werden konnten.
Ein Bereich des Museums widmet sich der Kultivierung von Olivenbäumen in „unserem Ligurien“, wie es sehr nett heißt. Die Errichtung der Trockenmauern, mit denen die Terrassen befestigt worden, war eine äußerst mühsame Plackerei. Heute soll es 220.000 km dieser Terrassen geben, die das Bild der steilen Hänge in den Tälern prägen.
Samstag, 26.3.
Bevor wir weiterfahren, gibt‘s noch ein kleines Problem. Damit unsere beiden Räder gut auf den Fahrradträger passen, haben wir bisher immer die Lenker gedreht. Bei meinen Rad habe ich die Schraube so fest angezogen, dass sie nicht mehr zu lösen ist! Weder von uns noch vom Fahrradmechaniker, den wir konsultieren. Einzige Möglichkeit: Schraube aufbohren und neuen Vorbau für den Lenker kaufen. Das lassen wir erst mal sein und probieren es so. Und siehe da, die Räder passen auch mit umgedrehtem Lenker auf den Träger.
Wir fahren wieder zurück Richtung Genua, und zwar zum Campingplatz „Dolce Vita“, auf dem wir in der ersten Nacht waren. Dem mit der Pizzeria. Wegen der Pizzeria. Die Fahrt ist nicht weit, wir sind schon um Mittag da, füllen im nächsten Dorf noch unsere Vorräte auf und haben den ganzen Nachmittag zur Verfügung. Zeit für eine kurze Wanderung in die Pampa. Denn da sind wir hier: echt j.w.d. Die Geräuschkulisse besteht vorwiegend aus einem Hahn und zwei Hunden. Wunderbar.
Heute Abend gehen wir natürlich essen! Wir können es kaum erwarten, dass der Pizzaofen angeheizt wird.
Sonntag, 28.3.
Nach Pizza, Schwertfisch und einer Flasche Rotwein haben wir wunderbar geschlafen. Wir wachen auf bei – nein, jetzt echt nicht – weißem Himmel. Dagegen haben wir inzwischen eine gewissen Aversion entwickelt. Es ist kühl und windig, und der Wetterbericht für heute stimmt überhaupt nicht. Für die nächsten Tage sieht es eher noch schlechter aus. Ab Mittwoch ist Regen angesagt, den die Natur zugegebenermaßen dringend benötigt, und danach soll es deutlich kühler werden. Wir sind gefrustet, klicken uns durch die Wetterberichte verschiedener Orte und Gegenden und überlegen, was wir denn jetzt machen sollen.
Nach einem Spaziergang bei weißen Himmel und Wind legen wir einen Lesenachmittag ein und wollen auf jeden Fall nochmal Pizza essen gehen.
Morgen fahren wir nach Genua, um uns das hochgelobte Aquarium im Genueser Hafen anzuschauen. Danach – ja wahrscheinlich fahren wir danach einfach wieder nach Hause!
Montag, 28.3.
Zum Campingplatz nach Genua sind es nur 40 km, eigentlich nur eine halbe Stunde. Aber auf der Autobahn ist ein Riesenstau. Irgendwann schaffen wir es, auf die Via Aurelia abzufahren, die parallel zur Autobahn führt, und legen das restliche Stück auf der Landstraße zurück. Die Dörfer, durch die wir fahren, sind malerisch, aber wir wollen uns nicht vorstellen, was hier im Sommer los ist.
Die 40 km also in ca. 2 Stunden geschafft. Sehr idyllischer Campingplatz in Pegli, einem Vorort von Genua. Irgendwo oben am Hang. Klein und mit einem Café und einer sehr netten „Chefin“ namens Ewa (beim Anmelden bekommen wir eine Einführung in die Platz- und damit Familiengeschichte der Betreiber).
Jeannine fährt in die Stadt. Claus bleibt auf dem Platz und genießt die Sonne (heute 20 Grad). Ab Morgen soll es damit dann wohl schon wieder vorbei sein.
Zu Fuß geht es durch einen Park zum Hafen, von wo ein Schiffchen dem Genueser Hafen entlang zum alten Teil des Hafens, dem Porto Antico, fährt. Von dort aus kann man die ganze Stadt zu Fuß erkunden. Ehrlich gesagt, hatte ich Genua bisher nicht auf dem Schirm und bin positiv überrascht. Es gibt eine wunderbare intakte Altstadt mit – das ist was Besonderes – Dutzenden von Barockpalästen, die ein eigenes Viertel bilden (das Ensemble gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe).
Im Palazzo Ducale am zentralen Platz in Genua läuft gerade eine Monet-Ausstellung mit Leihgaben eines Pariser Museums. Ein Schwerpunkt der Ausstellung sind die Bilder, die Monet in seinen letzten Lebensjahren von seinem Garten im nordfranzösischen Giverny malte. In der Ausstellung sind Fotoräume mit Motiven aus diesem Garten eingerichtet, in denen sich der Besucher in den realen Garten versetzen lassen – und ein besseres Verständnis für die Bilder entwickeln kann.
Durch den Grauen Star war Monet in seiner Sehkraft beeinträchtigt und gleichzeitig extrem lichtempfindlich geworden. Offenbar hat er vieles nur in flirrenden Farben gesehen, und genau das malte er auch. So lösen sich die Formen in manchen Arbeiten fast gänzlich in Farben auf, wie bei den Bildern von seiner grünen japanischen Holzbrücke.
Das Gegenstück zu der barocken Pracht in der Altstadt ist der Hafen mit seinen Containerterminals, Schüttdepots, Kühlhäusern und dem Kreuzfahrtterminal. Am alten Hafen, der nach seiner Umgestaltung zum Columbus-Jubiläum 1992 „Porto Antico“ genannt wird, treffen Hafen und Stadt direkt aufeinander, überspannt von der aufgeständerten SS1. Früher gab es hier den Freihafen, Lagerhallen, etc.
Zum Jubiläum 1992 wurde das ganze Areal unter der Federführung des Architekten Renzo Piano zu einem neuen touristischen und Freizeit-Zentrum entwickelt, mit vielen Kneipen, einer Rollschuhbahn, Ausstellungsflächen und dem ebenfalls von Piano gebauten Aquarium, dem zweitgrößten in Europa.
Renzo Piano, der so etwas wie der Genueser Hausarchitekt ist, hat sich übrigens auch bei den Plänen für den Wiederaufbau der eingestürzten Autobahnbrücke durchgesetzt (gegen Calatrava). Die Brücke ist bereits seit August 2020 wieder für den Verkehr freigegeben; die Prozesse über die Gründe des Einsturzes hingegen dauern noch an.
Dienstag, 29.3.
Der Tag des „Missverständnisses“!
Wir fahren mit einer kleinen Fähre nach Genua um in ein Museum zu gehen. Die Fahrt ist sehr interessant, da man durch den Hafen der Stadt und direkt vorbei am Flughafen fährt (die Landebahn liegt und endet direkt am Meer). Es gibt also viel zu sehen.
In Genua angekommen, legt die Fähre direkt neben dem Museum an – und ich merke immer noch nichts.
Nachdem wir den Eintritt gezahlt haben (EUR 27.- pro Person), betreten wir das Museum. Direkt hinter dem Eingang ist ein erstes Aquarium, welches sich Jeannine in Ruhe anschaut.
Ich sage zu ihr „Jetzt schau dir doch nicht die blöden Fische an!“ und will weiter. Doch um die Ecke (alles ist dunkel) kommt das nächste Aquarium.
Dann DÄMMERT es mir: Wir sind im falschen Museum. Ich wollte in das Schiffsmuseum, Jeannine in Fisch-Museum. So eins gibt es auch in Konstanz und ist todlangweilig. Zu spät!!
Wir sind in einem Museum, in das ich ganz sicher nicht freiwillig gegangen wäre und das „richtige“ wäre um die Ecke. So bin ich ziemlich frustriert, aber wir sind auch amüsiert über dieses Missverständnis. Wir machen das Beste daraus und fahren dann mit der Fähre wieder zurück.
Jeannine: Ergänzend zum Missverständnis möchte ich darauf hinweisen, dass ich mehrfach den Besuch des Genueser Aquariums angekündigt habe. Und in einem Aquarium gibts nun mal Fische, keine Schiffe! Jedenfalls fand ich den Besuch nicht ganz so furchtbar wie Claus. Wir sahen Seekühe, die gerade mit Salatköpfen gefüttert wurden, Rochen in allen Größen und Farben, die sich entweder platt am Boden versteckten oder elegant durchs Wasser „flogen“, fluoreszierende Seesterne, mystisch-transparente Quallen und natürlich Haie und Delfine.
Zum Essen ist es jetzt noch zu früh, aber um den Frust runterzuspülen, nehmen wir in einer Bar einen Drink. Eigentlich wollten wir zwei Martini Bianco bestellen, aber der Wirt sprach von „Martini, Dry“ – ja, gut. Auch egal. Dann kamen die Drinks (James Bond hätte seine Freude gehabt) und danach ein zweiter. Danach brauchten wir auch kein Abendessen mehr und schleppten mit schweren Beinen den Berg hinauf zum Campingplatz.
Eigentlich wollten wir ja morgen wieder heimfahren, merken aber schon jetzt, dass wir dann noch nicht fahrtüchtig sein werden.
So bleiben wir den Mittwoch noch da.
Mittwoch, 30.3.
Nach über 12 Stunden Schlaf sind wir wieder einigermaßen hergestellt, aber trotzdem froh, dass wir uns für heute nichts vorgenommen haben. Wir treffen ein nettes deutsch-Schweizer Pärchen aus dem Glarner Land, mit denen wir unter dem Camping-Dach im Regen fast drei Stunden plaudern und Tipps austauschen. Nachmittags drehe ich noch eine Runde durch den Ort und kaufe für unsere vorläufig letzte italienische Mahlzeit ein. Pelgi, der Vorort in dem wir sind, war früher eine bevorzugte Wohngegend betuchter Genueser. Entsprechend reihen sich palastartige Villen an der Promenade aneinander.
Unser Abschiedsmenu: Hauchdünn aufgeschnittener kalter Tintenfisch mit grünem Spargel, danach Pasta mit Mittelmeerkrabben, Tomaten und Petersilie. Als Dessert frische Erdbeeren aus der Basilikata, die schon richtig nach Erdbeeren schmecken. Echt italienisch, sozusagen.
Donnerstag, 31.3.
Die Sonne scheint, und wir überlegen kurz, ob wir wirklich nach Hause fahren sollen. Aber der Wetterbericht für die nächste Woche ist zu eindeutig. Als erstes verfahren wir uns gründlich und verlieren fast eine Stunde, bis wir auf der richtigen Autobahn sind. Dann gibt es eine kilometerlange Baustelle, aber danach ist die Bahn frei. Auch um Mailand herum. Wir machen ausgiebige Pausen und haben beide das Gefühl, dass die Fahrt sehr angenehm läuft. Gegen 19 Uhr sind wir wieder zuhause, bei 7 Grad und Regen. Na ja, wir haben ja eine Heizung im Haus.