
Sonntag 1.5.
Dass wir unser Reiseziel kurzfristig ändern, gehört ja inzwischen dazu. Eigentlich war eine weitere Etappe Jakobsweg geplant, mit Claus im Begleitfahrzeug. Aber die Wetterprognose für die Schweiz war nicht so prickelnd. Beim Wandern ist das kein Problem, beim gemütlichen Begleit-Campen schon. Also schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir fahren statt dessen nochmal nach Ligurien, wo wir ja vier Wochen zuvor wegen Kälte abgebrochen hatten. Und wir beschließen, dass ich den Jakobsweg in unserem Juniurlaub laufe, und dann auch gleich den ganzen Weg bis Genf.
Also starten wir am Sonntag pünktlich zu unserer üblichen Zeit um 12 Uhr. Es dauert wieder ewig, bis wir fertig sind, nicht zuletzt, weil ich noch einen Blitzcurry aus einer fast „abgelaufenen“ Hähnchenbrust zubereiten muss. Wie beim letzten Mal nehmen wir für den Hinweg die Route über den Gotthard – was uns aber einen Stau bei Zürich beschert. Abgesehen davon kommen wir mit mehreren Pausen gut durch und sind gegen 19 Uhr auf dem Campingplatz bei Genua, den wir sicherheitshalber reserviert hatten. Letzteres erweist sich übrigens als unumgänglich auf dieser Tour. Die Campingplätze sind alle voll, bei einem werden wir sogar abgewiesen, und dabei ist es erst Anfang Mai. Aber offensichtlich gibt es einen Nachholbedarf nach den beiden Corona-Jahren, es gibt vielleicht insgesamt mehr Camper, und nicht zuletzt ist die Ligurische Küste auch kein Geheimtipp.



Wir beginnen mit einem Apéro auf der Campingterrasse und ziehen uns dann ins Wohnmobil zum Essen zurück. Der Blitzcurry kommt zum Einsatz, Reis ist schnell gekocht.
Montag, 2.5.,
Wir schlafen aus und beginnen den Tag ganz gemütlich. Ich habe Lust zu laufen und beschließe, nur eine Wanderung zu unternehmen und gar nicht nach Genua zu fahren. Die Wanderwege beginnen direkt hinter dem Campingplatz und führen steil bergauf ins Hinterland. Sofort ist man in einer anderen Welt und blickt aus Pinienwäldern auf die dicht besiedelte Küste. Der Zustand des Waldes ist erschreckend. Es ist alles viel zu trocken, einige Bäume sind schon abgestorben. Die Waldbrandgefahr ist geradezu sichtbar, und man mag sich gar nicht ausmalen, wie es hier im Sommer aussieht. Es duftet unbeschreiblich – nach den Pinien, und stellenweise nach Jasmin und Ginster.


Nach fast vier Stunden bergauf und bergab (entweder oder, dazwischen gibt es hier nichts), bin ich genügend ausgepowert. Nach einer Dusche und einem Campingterrassen-Apero gibt es Resteessen, und wir fallen früh ins Bett.
Dienstag, 3.5.
Wir frühstücken Kaffee und italienische Hörnchen und fahren auf der Via Aurelia nach Bogliasco, nur knapp 30 km weiter östlich. Die Via Aurelia führt aufgeständert mitten durch Genua, rechts Hafen, links Stadt. Die Häuserzeilen stehen gefühlt in Griffweite an der Schnellstraße. Wohnen mag man da nicht, aber es ist wirklich eindrücklich. Ein Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen und sieht auch aus wie eine Häuserzeile.


Nach Genua schlängelt sich die Straße durch ehemalige Fischerdörfchen dem Meer entlang. Es ist unglaublich viel Verkehr (unter der Woche, im Mai), und man mag sich nicht vorstellen, was hier im Sommer los ist. Die Straße ist relativ eng und praktisch die ganze Strecke über beidseitig zugeparkt. Gerne auch in zweiter Reihe. Wir sind uns nicht einig, ob das nun alles schon Touristen sind oder Einheimische, die in den Dörfern selbst keine Parkmöglichkeit haben. Jedenfalls ist es anstrengend zu fahren, und wir brauchen 1 1/2 Stunden für die 30 km. Beim nächsten Mal nehmen wir wieder die Autobahn.
Der Campingplatz in Bogliasco ist auf einem Hügel über dem Dorf, mitten im Wald, mit Blick aufs Meer (leider nicht von unserem Platz aus).


Es ist ziemlich voll, und wir kümmern uns sicherheitshalber gleich um die Reservierung des nächsten Campingplatzes. Ich laufe ins Dorf und zum Meer hinunter. Das bedeutet eine Viertelstunde Treppensteigen nach unten (zurück dauert es etwas länger). Der Ort und die Küste hier sind ganz reizend. Die typisch bunten ligurischen Häuser kontrastieren reizvoll mit den dunklen Klippen der Küste und dem hellblauen Meer.

In den kleinen Buchten wagen sich die ersten schon ins Wasser. Auf dem Weg durchs Dorf wieder intensive Duftschwaden von Jasmin. Mit einem marokkanischen Gemüsehändler, bei dem ich ein bisschen einkaufe, kann ich wenigstens plaudern.
Abends gehen wir im Campingrestaurant Pizza essen und können fast bis zum Schluß in der Abendsonne sitzen. Sobald die weg ist, wird es gleich sehr kühl. Aber egal, wir haben so langsam wieder unseren Camping-Schlafrhythmus erreicht und liegen kurz vor 22 Uhr im Bett.
Mittwoch, 4.5.
Heute ist eine halbtägige Wanderung geplant. Übrigens bewährt sich dabei die App von konmoot, die auch in den entlegensten Gegenden schöne Touren anbietet. Durch die gps-Ortung weiß man dankenswerterweise immer – na ja, meistens – wo man ist. Nach unserem Vormittagsprogramm starte ich erst gegen 13:30. Höhepunkt der Rundwanderung ist eine Kapelle auf 520 m Höhe. Die erste Stunde geht es also ziemlich steil bergauf, zunächst auf Treppen, dann auf Wanderwegen. Auf dem letzten Stück sind die Stationen eines Kreuzwegs aufgestellt, es handelt sich also um eine kleine Wallfahrtskapelle. Oben treffe ich zwei italienische Damen, die ganz begeistert davon sind, dass hier heute ausnahmsweise nichts los ist. Offensichtlich ist die Kapelle ein beliebtes Ausflugsziel. Rundherum sind mehrere Tische und Bänke aufgestellt für ein Vesper bei grandiosem Blick über die Küste.



Zurück führt der Weg erst durch Pinienwald und dann über die schon bekannten Treppen und Gässchen durch Villenviertel mit wunderbaren Gärten zurück ins Dorf und von dort wieder zurück zum Campingplatz. Echt schön war das, und dazu noch ein bisschen sportlich (10 km, 500 Höhenmeter).

Wir essen abends wieder im Campingrestaurant auf der Sonnenterrasse. Heute kocht der Chef, und es gibt neben der Pizza für Claus eine gegrillte Dorade für mich. Besser geht einfach nicht.
Für Unterhaltung sorgen diverse Familien, bei denen die Kinder bespaßt werden müssen oder sich selbst bespaßen. Ein Mädchen am Nebentisch bekommt eine Pizza mit Pommes serviert. Claus ist hellauf begeistert und weiß schon, was er hier das nächste Mal bestellt.
Donnerstag, 5.5.
Wir fahren rund 50 km die Küste entlang weiter Richtung Cinque Terre, diesmal aber wohlweislich auf der Autobahn. Wir sind wieder beeindruckt davon, wie aufwändig die Autobahn hier gebaut und unterhalten werden muss. Brücken und Tunnel wechseln sich ab, es gibt fast kein normales Stück Straße dazwischen. In einem Dorf namens Deiva Marina haben wir für die nächsten Tage einen Campingplatz gebucht. Unterwegs beginnt es zu tröpfeln und regnet richtig, als wir auf dem Camping ankommen. Aber es ist nett hier, es gibt einen Supermarkt direkt vor dem Platz und einen kostenlosen Shuttlebus ins Dorf.
Nachdem wir in dem kleinen Supermarkt eingekauft haben, vespern wir erst mal – im Regen unter unserer Markise. Die Gemütlichkeit könnte noch gesteigert werden, aber man hält es aus. Danach laufe ich die rund 3 km ins Städtchen, das auch Anfang Mai noch im Winterschlaf liegt.


Auf dem Rückweg versuche ich, die Straße zu vermeiden und wandere auf einem Pfad durch Gras und Schilf, der insgesamt dreimal einen Bach quert. Mit meiner Trittsicherheit ist es dann doch nicht so weit her, und ich trete prompt ins Wasser. Ich komme oben bügelfeucht und unten Naß wieder „zuhause“ an. Kein Problem, es gibt ja Wechselwäsche. Ein geöffnetes Restaurant habe ich im Dorf nicht gefunden, und so wird heute Abend gekocht.
Freitag, 6.5.
Es regnet die ganze Nacht und am nächsten Vormittag. Weil wir deswegen nichts verpassen, schlafen wir aus. Es regnet unvermindert weiter und wird erst am Nachmittag etwas weniger.
Weil alles nass und glitschig ist, drehe ich heute nur eine kleine Runde. Aber auch kleine Runden können abenteuerlich werden. Mitten im Wald rennen plötzlich zwei dunkle Schweine über den Weg. Ich bin so überrascht, dass ich zunächst einfach weiterlaufe. Kurz darauf laufen drei gestreifte Ferkel in die entgegengesetzte Richtung. Da wird auch mir Zoologin klar, dass das Wildschweine sein müssen. Mit Frischlingen! Also eine Kombi, mit der nicht zu spaßen ist. Ich wende sofort mein Allheilmittel aus Spanien an, fange lauthals an zu singen und laufe weiter. Keine Ahnung, ob das wirklich die richtige Methode ist, jedenfalls bleibe ich unbehelligt!

Samstag, 7.5.

Ich starte früh, weil für die geplante Tour heute 5 Stunden reine Wanderzeit veranschlagt sind. Um 8 Uhr fahre ich mit dem Camping-Shuttle nach Deiva Marina und eine halbe Stunde später mit dem Zug nach Riomaggiore, dem letzten der fünf Dörfer der Cinque Terre. Die Zugverbindung ist super und viel schneller als das Auto. Viel sehen kann man aber leider nicht, weil der Zug buchstäblich mehr im Tunnel fährt als außerhalb. Von dort führt ein Wanderweg über eine Landzunge nach Portovenere. Nach zwei Cappuccini als Starthilfe mache ich mich auf den Weg, der zunächst über 400 Höhenmeter ziemlich steil nach oben zu einer Kapelle führt.

Es ist Samstag und nach zwei Regentagen erstmals wieder schönes Wetter. Kein Wunder, dass ich auf diesem beliebten Weg nicht allein bin. Es ist eine ungewohnte Erfahrung, vor oder hinter mir Wandergruppen zu haben, die unablässig italienisch, englisch oder schweizerdeutsch schnattern. Die erste Italienergruppe lasse ich hinter mir, indem ich einfach ohne Pausen weiterwandere. Auf etwa der Hälfte der Strecke gibt es ein kleines Dorf mit mehreren Rastplätzen und Restaurants. Alle machen dort eine längere Pause. Ich begnüge mich mit einem doppelten Espresso und ziehe weiter. Allein und ohne Geräuschkulisse.

Der Weg bietet so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Im ersten Teil läuft man ,durch kunstvoll terrassierte Felder mit Olivenbäumen und Wein. Dann erreicht man eine Krete und läuft im Wald auf breiten Forstwegen. Eigentlich beginnt danach der Abstieg, aber so einfach ist es nicht. Es folgt ein Stück entlang einer Steilküste, zwar durchaus mit Büschen und Bäumen, aber streckenweise eben auch über Felsen und Geröll und vor allem mit direktem Blick auf das mehrere hundert Meter darunter liegende türkisblaue Meer. Habe ich schon erwähnt, dass ich sowas überhaupt nicht vertrage? Ich packe die Stöcke in den Rucksack und krabbele sehr unwürdig über die Felsen in der Hoffnung, dass der Spuk bald ein Ende hat. In der Beschreibung der Tour (diesmal nicht auf konmoot, sondern auf AllTrails) schreibt ein User, er sei die Strecke problemlos auch bei Regen gelaufen. Echt jetzt? Ich bin froh, als der Weg sich wieder etwas normalisiert, bzw. als ich endlich meinen Tunnelblick weg vom Abgrund richten kann.


Als das Adrenalin langsam nachlässt, gibt es grandiose Ausblicke entlang der Küste auf die Spitze der Landzunge und die davorgelegene kleine Insel. Auf offenem Meer liegt ein Kreuzfahrtschiff, das offensichtlich auf die Einfahrt nach La Spezia wartet. La Spezia liegt auf der anderen Seite der Landzunge und ist irgendwann auch zu sehen. Die letzten zwei Stunden geht es steil bergab, zum Schluss entlang der Festung von Portovenere über Treppen. Und plötzlich steht man inmitten einer Touristenmenge im Dörfchen Portovenere. Der Geräuschpegel steigt rapide an. Das Dorf liegt extrem malerisch an einer Merenge und gruppiert sich um einen Hafen. Von dort legen Ausflugsschiffe in alle Richtungen ab. Ich besteige eines, das mich der Küste entlang zurück nach Riomaggiore bringt, um dort wieder den Zug nach Deiva Marina zu nehmen. Die Fahrt auf dem Schiff ist ein besonderes Vergnügen, weil man voller Stolz sehen kann, welche Strecke man gelaufen ist. Außerdem sieht man die Küste und die Dörfer vom Meer aus am allerbesten.



In Riomaggiore ist derweil die Hölle los. Der pittoreske Ort quillt über von Touristen, die sich durch die engen Gässchen und über die Treppen quetschen. Obwohl ich noch etwas Zeit hätte bis zur Abfahrt des Zuges, verzichte ich dankend auf eine weitere Besichtigung des Dorfes. Ziemlich genau zehn Stunden nach Abfahrt bin ich wieder auf unserem Campingplatz. Müde, aber auch ein bisschen stolz.
Sonntag, 8.5.
Es ist Muttertag😊 Nach einem Gratulationstelefoant mit Marlies starten wir gegen 11 Uhr auf die Heimfahrt. Es bewährt sich wieder, dass ihr an einem Sonntag fahren, alles läuft ganz easy und entspannt, und wir haben keinen einzigen Stau. Diesmal fahren wir aber auch durch den Bernardino.
Wir diskutieren diese wunderbare Woche in Ligurien. Obwohl es extrem schön (und für mich ein perfekter Wanderurlaub) war, stellen wir aber doch fest, dass wir uns in Frankreich und Spanien wohler fühlen. Italien ist für unseren Geschmack einfach ein bisschen zu voll. Die Städte und Dörfer sind wunderschön, aber eng und selbst Anfang Mai schon recht überlaufen. Das Hinterland ist natürlich ruhiger – und ebenfalls wunderschön – aber hier gibt es viel viel weniger Campingplätze als z.B. in Frankreich. Und die Plätze selbst sind auch nicht so wahnsinnig toll, ehrlich gesagt sind es eher Stell- als Campingplätze. Da sind wir durch unsere Frankreichurlaibe schon ziemlich verwöhnt. Worin allerdings Italien definitiv alle anderen Länder toppt, ist beim Essen! Das wiederum ist einfach nur grandios.
Gegen 18 Uhr sind wir wieder zuhause und freuen uns auf unseren schönen Garten.
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