Spanien, Januar 2023

Spanische Glückstrauben, fertig abgepackt. Um 12 Uhr wird pro Glockenschlag eine Traube verspeist.

Sonntag, 1.1.2023

Wir verbringen fast den ganzen Tag mit SMS, WhatsApp und Telefonieren mit unserer Familie und Freunden. Und wir lernen unsere anderen Platznachbarn kennen, Judith und Martin aus Berlin. Die sind vor genau einem halben Jahr losgefahren und tingeln seither mit ihren Fahrrädern durch Europa. Beide haben gespart, ihre Jobs und ihre Wohnung gekündigt und wollen die Welt erkunden, „solange es noch geht“. Auf normalen Fahrrädern (keine EBikes) transportieren sie alles, was sie brauchen, vom Zelt bis zur Ukulele. Martins Fahrrad wiegt mit Gepäck 86, Judiths 66 Kilogramm – jeweils ohne Fahrer.* Sie sind damit durch Frankreich, über die Pyrenäen, über die beiden Cordilleras und durch Portugal gestrampelt, im Schnitt 20-40km am Tag. Sie haben einen ganzen Monat lang Regen erlebt, während dessen ihre Kleidung nie ganz trocken wurde. Sie wollten sich drei Wochen lang in einer Villa erholen, die sie im Internet gefunden hatten. Für drei Stunden Mitarbeit täglich im Garten und bei den Tieren wurde ihnen freie Unterkunft mit Wasserbett und Swimmingpool versprochen. Nach vier Tagen brachen sie diese vermeintliche Erholungspause wieder ab, völlig angeekelt von den unhygienischen Zuständen auf dem Hof. So lange und ausführlich wie sie darüber berichteten, war dies das schlimmste Erlebnis ihrer bisherigen Reise. Martin und Judith stellen ihr Zelt normalerweise irgendwo in der Natur auf, in der Hoffnung ungestört zu bleiben. Das klappt meistens, gelegentlich aber auch nicht, Die zwei Nächte auf dem Campingplatz sind deshalb auch eine Erholung für sie. Am nächsten Tag packen sie ihre Räder wieder, um mit der Fähre nach Tanger überzusetzen und durch Marokko zu radeln. Sie haben kein Endziel für ihre Reise, und auch keinen Endtermin. 

Das Rad mit Gepäck wiegt 86 Kilogramm!

Unglaublich, mit wie wenig man auskommen und reisen kann, wenn man nur will (und jung genug ist). Im Vergleich zum Leben im Zelt, wo man auf dem Fußboden hocken muss und nur eine Isomatte als Unterlage hat, kommt uns unser Wohnmobil wie die pure Luxusunterkunft vor. Was sie im Vergleich dazu ja auch ist. Es gibt unterschiedliche Camper-Lifestyles. Wir gehören eher in die Normalo-Fraktion, DURO-Helga und Martin und Judith sind Extrembeispiele.

*(Claus) Diese Räder sind das absolute Kontrastprogramm zu den Triathlon-Rädern, der Kölner! 30 Jahre alte Mountainbike-Rahmen und den Rest selbst zusammengebaut. Absolute Priorität sind die Belastbarkeit und Stabilität. Leichtbau und Geschwindigkeit ist hier gar kein Thema!

Montag, 2.1.2023

Für nachmittags ist Regen angesagt, aber tatsächlich beginnt der schon nach dem Frühstück. Wir verschieben den eigentlich für heute geplanten Ausflug und fahren statt dessen nur zum Einkaufen und zum Wasser ablassen und – tanken. Nachmittags bei einem Strandspaziergang steht die Gischt aus der Brandung wie Nebel über dem Horizont. Weil überhaupt kein Wind ist, tummeln sie die Kite-Surfer heute als Wellenreiter im Wasser. Wie Seehunde paddeln sie mit ihren Boards unermüdlich hinter die Wellen, um dann in wenigen Sekunden zurück zu surfen. Sieht anstrengend aus. Und wir fragen uns, wie viele Bretter man als Surfer denn so dabei haben muss. 

Surfer auf der anstrengenden Suche nach der Welle.
Heute eine ganz andere Stimmung: Nebel vor Tarifa.

Dienstag, 3.1.2023

Morgens bestätigt der Campingchef, dass heute tatsächlich der Gasmann vorbeikommen soll. Freudestrahlend marschieren wir zur Rezeption, als ein Wagen voller Gasflaschen an uns vorbei fährt. Zu früh gefreut, das war der falsche Gasmann: Repsol statt Cepsa. „An Repsol-Flaschen kommen Sie nicht ran“, erklärt der Chef. Wir warten weiter. Am späteren Nachmittag teilt uns die Rezeption mit, dass der richtige Gasmann zwar da war, aber keine Flasche mehr übrig hatte. „Mañana“. OK – die Gas-Soap-opera geht in die nächste Runde.

Beim Strandspaziergang ist wieder kein Wind, dafür recht viel Brandung. Auch heute sind die Wellensurfer am Paddeln, und zusätzlich gibt es eine neue Surfer-Sub-Spezies: Stand up paddling-Surfer. Die stellen sich aufs Board und fahren stehend mit dem Paddel in die Wellen. Sieht nicht so cool ais wie normale Wellenreiter, geht aber vielleicht etwas schneller.

SUP-Surfer.
„Drachenzähne“: Felsreihen, die bei Ebbe auftauchen.

Abends treffen wir uns mit unseren Kölner Nachbarn Eva und Michael zum Abendessen in der Campingbar. Bis 2019 hatten sich beide neben ihren Berufen auf Sportwettkämpfe konzentriert, Michael auf Triathlons, Eva auf Radrennen. Corona brachte die Wettkämpfe auf einen Schlag zum Stillstand und bewirkte ein Umdenken bei den beiden. Beide treiben heute immer noch viel Sport, inzwischen auch andere Sportarten, ordnen aber nicht mehr ihre ganze Freizeit den Wettkämpfen unter. Am liebsten machen sie immer noch Radtouren – mit einem der 15 Spezialräder, die sie im Keller stehen haben. Leider fahren die beiden morgen schon wieder ab – wir hätten noch länger plaudern können. Aber wir tauschen unsere Kontaktdaten aus und hoffen, dass wir uns irgendwo mal wieder treffen.

Mittwoch, 4.1.

Beim morgendlichen Brotholen ruft der Rezeptionsmitarbeiter beim Gasmann an, um eine mögliche Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. Als wir kurz vor der vereinbarten Zeit um 13 Uhr wieder an der Rezeption stehen, ruft er erneut an. Auf unseren Einwand, dass es ja noch nicht einmal 13 Uhr sei, erklärt er: „Yes, but this is Spain“. 

13:15 ist der Gasmann da. Mit Gasflaschen. Unfassbar, dass wir ohne weitere Probleme eine Flasche erstehen können. Dann muss nur noch die Gasflasche mit dem Regulator angeschlossen werden. Wir lesen uns die Regulator-Gebrauchsanweisung mehrfach gegenseitig vor. Nach einer Stunde sitzt der Regulator fest auf der Flasche und es zischt nicht mehr (Zischen nicht gut!), und nach dem gefühlt 20. Versuch kommt auch tatsächlich Gas aus dem Herd. Wir haben es geschafft!

Original spanische Gasflasche mit Regulator – angeschlossen!

In Zukunft fahren wir nur noch nach Spanien – die Gasflasche haben wir ja jetzt.

Donnerstag, 5.1.2023

Wir machen einen Ausflug nach Vejer de la Frontera, eines der weißen Dörfer Andalusiens, das etwa 40 km entfernt an der N340 liegt. Es gibt hier in der Gegend mehrere Dörfer und Städte mit dem Zusatz „de la Frontera“, also „an der Grenze“. Das bezieht sich auf das umkämpfte Grenzgebiet zwischen Mauren und Christen während der jahrhundertelang dauernden Reconquista. Das Dorf Vejer de la Frontera liegt etwas im Landesinneren und klebt förmlich auf einem Felsen, der eine weite Ebene beherrscht. 

Vejer de la Frontera von der N340 aus gesehen.

Wir fahren beim ersten Ortsschild nach oben, was sich als Fehler erweist. Als wir das LKW-verboten-Schild bemerken, ist es schon zu spät. Wir können nicht mehr wenden. Ein halsbrecherisches Weglein schraubt sich zum Dorf hoch, und bei jedem entgegenkommenden Auto halten wir die Luft an. Im Dorf angekommen, wird es nicht besser. Wir landen auf einer Art Marktplatz. Es hilft nichts, Claus muss wenden. Ein nettes spanisches Pärchen warnt uns auf Spanisch vor irgendetwas, das wir nicht verstehen. Immerhin erklärt mir die Frau in gebrochenem englisch, dass es einen Parkplatz bei der Tourist Information gebe. Die kann ich ins Navi eingeben – und Claus muss nur noch das kleine Sträßchen wieder hinunterkommen, was er aber bravourös meistert. 

Die richtige Auffahrt zum Dorf windet sich zwar auch in Serpentinen nach oben, ist aber deutlich breiter. Auf Anhieb finden wir besagten Parkplatz und bekommen in der Tourist noch einen Stadtplan und Tipps für den Besuch. Die Altstadt von Vejer de la Frontera hat eine Burg und eine komplett erhaltene Stadtmauer, jeweils aus unverputzten gebrannten Ziegeln. Der Rest ist strahlend weiß. Es gibt beeindruckende Ausblicke aufs Umland und auf die – ebenfalls blendend weiße – „Neustadt“ auf einem Hügel gegenüber. 

Aus- und Durchblick Richtung Neustadt. Vorne Repsol-Flaschen (der Gasmann war unterwegs).

Auf einem kleinen Aussichtsplatz steht die Skulptur einer schwarzen verhüllte Frauenfigur, die wir zunächst für eine Nonne halten. Tatsächlich stellt sie eine „Cobijada“ dar, eine voll verschleierte Frauenfigur, wie es in der Gegend üblich war. Nur ein Auge durfte noch herausschauen! General Franko verbot die Verschleierung 1939, womit er wenigstens eine gute Tat in seinem Leben vollbracht haben dürfte. 

Verschleierte „La Cojiada“ und Ausblick auf die Neustadt.
Weiter Blick uns Land.

Wir bummeln durch das Dörfchen, trinken einen Kaffee und werden durch wunderbare Musik in eine kleine Kunstgalerie gelockt. Die Galeristin erklärt auf französisch, dass sie selbst die meist spanischen Künstler aussucht. Wir sind richtiggehend hingerissen von dem Kunstgenuss in schönen alten Räumen und der Untermalung mit klassischer Musik. Am Ende landen wir wieder auf dem Marktplatz, was ohne Auto wesentlich entspannter ist. In einem arabischen Lokal essen wir sehr lecker zu Mittag.

Marktplatz von Vejer de la Frontera mit Brunnen, Palmen und diversen Kneipen.
Die mit Kacheln verzierten Brunnen sind typisch für andalusische Dörfer.

Auf dem Rückweg machen wir einen Abstecher über zwei Dörfer am Meer: Barbate und Zahara de los Antunes. Die Fahrt ist malerisch, vor allem durch das Naturschutzgebiet am Meer. Beide Dörfer jedoch sind sehr touristisch, die sparen wir uns. 

Wir fahren durch ein Naturschutzgebiet mit Feuchtwiesen.
Ohne Windräder geht nichts!

Freitag, 6.1.2023

Ich mache eine Radtour ins Hinterland zum Camino de Ojén (Teil der Euroradwegs 8), der auf ein Hochtal im Naturpark Les Alocornales führt. Auf dem Hinweg besuche ich die kleine Marienkapelle Santuario Nuestra Señora de la Luz. Die Kapelle selbst hat geschlossen, aber in einer Seitenkapelle darf man ein Kerzchen anzünden. Vielleicht liegt es am Feiertag heute, jedenfalls wird davon wird rege Gebrauch gemacht.

Marienkapelle „Unsere Frau des Lichts“
zen Vor der blauen Madonna sind nur blaue Kerzen erlaubt.

Der Weg ist super zu fahren (auch ohne Mountainbike) und führt durch grandiose Landschaften. Ich fahre im T-Shirt los, aber sobald sich eine Wolke vor die Sonne schiebt, wird es kalt. Trotzdem blüht hier schon vieles, und die Vögel zwitschern! keine Winterstille in Tarifa.

Hochebene auf dem Camino de Ojén.
Hier oben gibt es auch drei Stauseen.


Samstag, 7.1.2023

Wir müssen wieder waschen. Wenn es nicht regnet (soll erst morgen der Fall sein), ist alles in paar Stunden trocken!

Orange dominiert 🙂

Außer Wäschewaschen haben wir heute noch ein weiteres Projekt: die Reparatur eines Campingstuhls, dessen Lehne sich immer löst. Claus schraubt die Armlehne auseinander und stellt fest, dass eine Mutter fehlt. Ich biete mich an, selbige in meinem Lieblingsladen, der Ferreria zu besorgen. Ich bin wieder begeistert. Nicht nur vom Sortiment, das vom Bügeleisen bis zum Dieselaggregator reicht.

Hier gibt‘s einfach alles. Das toppt Amazon um Längen.

Man wird auch noch persönlich bedient und bekommt gleich zwei Muttern zur Auswahl vorgelegt. Nach einem Kauf von 2,40 EUR ziehe ich von dannen. Davon waren 2,35 EUR für eine Küchenrolle und 5 Cent für die Mutter. Dass Claus den Stuhl dann ohne dieselbe reparieren konnte, steht auf einem anderen Blatt. Die Stuhllehne ist jedenfalls fest, und der Ausflug war auch super.

Sonntag, 8.1.

Es hat 5-7 Beaufort Wind aus West. Das bedeutet, dass sich die Kite-Surf-Cracks an dem Strandabschnitt direkt bei uns austoben. Es wäre wirklich interessant zu wissen, welche Geschwindigkeiten sie dabei erreichen (schnell!) und wie hoch die Sprünge sind, die sie machen (sehr hoch!). Manche machen richtige Akrobatik in der Luft, drehen sich, nehmen ihr Board in die Hand und fahren ungebremst weiter, sobald sie wieder auf dem Wasser sind. Ein echtes Spektakel.

9.1. – 13.1.2023

Claus: Lange haben wir uns nicht gemeldet. Warum? Unser Leben hat sich verändert😉Seit einer Woche besuchen wir in Tarifa einen Spanisch-Kurs für Anfänger!

Der Eingang zur Schule

D.h., morgens um 7:45 klingelt der Wecker. Es wird schnell gefrühstückt (von Jeannine bereits am Abend vorher vorbereitet). Da es um 8:00 noch stockfinster ist und kalt, frühstücken wir zwangsweise im Auto. Danach werden die dicken Pullis, Daunenjacken und Handschuhe (es ist ca. 12 Grad) angezogen, und wir schwingen uns auf die Räder. Die Fahrt zur Schule dauert rund 20 Minuten – abhängig vom Wind…bei Gegenwind sind es gefühlt 2 Stunden.

Dort angekommen, lasse ich mir einen Nespresso-Kaffee aus der Maschine (1.- Euro, Wasser und Tee sind gratis) und wir gehen in unseren Klassenraum, ca. 4×4 m gross. Es gibt fünf Klassenzimmer. Parallel finden dort weitere (auch Fortgeschrittenen-) Kurse statt, d.h. das morgendliche Anstehen bei der Getränkeausgabe betrifft ca. 25 Schüler/innen und fünf Lehrer. In der Schule sind mit Ausnahme der drei Jugendliche aus unserem Kurs nur Erwachsene verschiedener Nationalitäten.

Die Cafeteria im Flur.

Wir verbringen täglich vier Stunden (9:30 bis 13:30) mit unserer Lehrerin Bea (40) und vier Mitschülerinnen (Mutter 57, deren 2 Kindern 17 und 13, und der 16 jährigen Freundin). Obwohl also fünf Schülerinnen im Kurs sind, sind wir „Chicos“, da ich als Mann dabei bin. Soweit das „gendern“ in Spanien.

Bea verteilt die Lehrbücher (ca. 3 kg, zu Transportieren im Rucksack auf den Velos….). Dann beginnt sie zu reden, auf spanisch und nur auf spanisch. Für uns extra sehr, sehr, sehr langsam – was aber immer noch sehr, sehr schnell ist. Ich überlege, für welche Sprache ich einen Sprachkurs belegt habe, da ich nichts verstehe. Wenn gar nichts geht, fragen wir auf Englisch nach. Bea spricht etwas englisch, aber kein Wort deutsch. Das Worte- und Grammatik-Ratespiel beginnt.

Immerhin ist es gut 40 Jahre her, dass wir (zumindest Jeannine und ich) uns in einer solchen Situation befunden haben. Ach so: Rauchen darf man im Klassenzimmer auch nicht😢 Nach den ersten sehr langen vier Stunden am Montag frage ich mich, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Zudem bekommen wir tatsächlich noch Hausaufgaben auf!

Wir radeln zurück zum Campingplatz, und ich geniesse es, nicht vollgetextet zu werden. Damit ich meinen Spanien-Schlaf bekomme, gehe ich jeden Abend bereits gegen 21 Uhr ins Bett. Ja, das Leben besteht nun aus Essen, Lernen und Schlafen. Dienstag bis Donnerstag unterscheiden sich nicht vom Montag, ausser dass es immer komplizierter wird, da wir deklinieren, konjugieren, Vokabeln raten und das „R“ rollen müssen.

Freitag, 13:30: Endlich schulfrei! Wir sind ausnahmsweise mit dem Wohnmobil zur Schule gefahren, da wir anschliessend noch unseren Wocheneinkauf machen wollen.

Zurück dem Campingplatz steht vor der Rezeption ein VW-Bus mit KN-Kennzeichen. Wir sprechen die beiden Insassinnen an…irgendwie sind wir uns spontan so sympathisch, dass wir uns zum Apero bei uns am Stellplatz verabreden. Und tatsächlich kennen die beiden – Gabi (62) und ihre Tochter Lorena (23) – eine Menge Leute und Geschäfte, die wir auch kennen. Es wird ein sehr netter und unglaublich lustiger Abend, den wir gemeinsam in der Bar am Meer bei Tapas und drei (!!) Flaschen Rotwein beenden. Die beiden sind seit zwei Wochen unterwegs und wollen noch weitere zwei Wochen durch Spanien tingeln. Sicher werden wir uns später dann auch mal in Konstanz treffen.

Jeannine: Diese Woche hat unser Spanisch-Kurs in Tarifa begonnen und bestimmt seither unseren Tagesablauf. Wir fahren morgens mit den Rädern um kurz vor neun los, was schonmal ein Highlight des Tages ist. Da die Sonne hier zur Zeit erst um 8:30 Uhr aufgeht, ist das sozusagen frühmorgens. Um die Uhrzeit ist relativ wenig Verkehr, und wir fahren nach Osten, buchstäblich der Sonne entgegen. Wenn die nicht von Wolken verdeckt ist, blendet das so, dass man sich eine Sonnenschutzklappe wünscht, Jeder Morgen ist anders und anders schön. Am Dienstag gibt es eine dicke Nebelbank auf dem Meer, die sich langsam auflöst.

Vom Stellplatz aus: Nebelbank auf dem Meer,
Auch Tarifa liegt im Dunst.

In unserem Kurs sind wir zu sechst, fünf „chicas“ und Claus. Bea, unsere Spanischlehrerin, spricht seit dem ersten Tag an ausschließlich spanisch mit uns. Nur wenn es gar nicht anders geht oder für Übersetzungen wechselt sie auf englisch. Die erste Woche ging es um die richtige Aussprache der Buchstaben (viel ch, viel th und noch mehr rollendes r), um Zahlen und um die Konjugation von Verben. Letzteres üben wir mehrfach mit einem Memory, wobei die beiden Töchter erstaunliche Fähigkeiten beweisen und das Konjugieren deutlich weniger Stellenwert bekommt als das Sammlen möglichst vieler Karten.

Es gibt eine kleine und eine große Pause, fast wie in der Schule. In der großen lernen wir nach und nach die Teilnehmer der anderen Kurse kennen. Es sind vorwiegend Deutsche, aber auch einige Holländer. Viele echte Aussteiger und natürlich ganz viele Surfer. Die Familie, die unseren Kurs besucht (der Vater ist bei den Fortgeschrittenen) hat z.B. in Deutschland alles aufgelöst, die Töchter von der Schule abgemeldet und wohnt jetzt mit zwei Riesen-Hunden und einer Katze im Wohnmobil. Sie wissen nicht, wie lange sie bleiben bzw, weiterreisen, ob sie sich in Spanien oder woanders niederlassen oder zurück nach Deutschland kehren wollen. Uns ist nicht ganz klar, wie die Töchter beschult werden. Überhaupt fragen wir uns. wie es für Teenager sein muss, aus dem Freundeskreis herausgerissen zu werden. Einer der Holländer lebt auf einem Boot, ist Veganer, surft und ist schon mit dem Fahrrad nach Santiago di Compostela gefahren. Solche Geschichten hört man hier ganz häufig. Tarifa ist ein Eldorado für Aussteiger aller Art. Manche arbeiten noch irgendwie, teilzeit und online, manche haben noch einen Wohnsitz zuhause (wie z.B. ein Paar aus Litzelstetten, die im Sommer auf dem Bodensee segeln), andere haben alle Brücken abgebrochen. Echt spannend.


Montag, 16.1.23

Claus: Eine neue Woche Spanisch-Kurs hat begonnen. Früh aufstehen, schnell frühstücken, warm anziehen und nach Tarifa fahren. Dann kommt Bea in den Klassenraum und beginnt spanisch zu reden… mehr oder weniger vier Stunden lang. Gestern und heute redeten für 30 Minuten auch mal andere: Wir sahen einen spanischen Lehrfilm.

Das Highlight am Dienstag: das Ocean Race führte durch die Straße von Gibraltar, „direkt“ an Tarifa vorbei – bei Windstärken bis zu 70 km/h. Wir sind wohlweislich nicht mit dem Rad, sondern mit dem Wohnmobil in die Stadt gefahren. Selbst das Laufen war schwierig.

Einer der Ocean-Race-Teilnehmer umrundet die Isla de Palma vor Tarifa.

Heute ist Mittwoch und wir sind noch kurz am Strand (17:00).

Etwas Entspannung nach der ganzen Arbeit.

Freitag, 20.1.

Die ersten zwei Wochen unseres Kurses sind geschafft. Halbzeit! Endlich Wochenende!

Hier noch ein Foto vom morgendlichen Weg zur Schule:

Danach hat man nur wenig Lust auf einen kalten Klassenraum

Weil Freitag ist, genehmigen wir uns Kaffee und Kuchen in einem Café am Hafen.
Selbst die Toiletten der Cafés i. Tarifa sind maritim gestaltet:

Im Café La Tarifeña gibt‘s nicht nur lecker Kuchen.

Sonntag, 22.1.
Claus: Habe gestern eine Entscheidung getroffen: ich werde den Spanischkurs abbrechen. Aus verschiedenen Gründen: 

1. Ab Montag bekommen wir eine neue Lehrerin und sind in einem anderen Kurs. Da anscheinend zwei weitere Schüler hinzukommen, wäre unser Kurs dann zu groß. Finde ich gar nicht gut, da ich mich doch an Bea (unsere Lehrerin) gewöhnt habe und auch an unsere anderen Kursteilnehmerinnen. Schade! 

  1. Es wird nächste Woche kälter (morgens ca. 7 Grad) was mir bei der täglichen Velotour mit dem ebike zu kalt ist. Besonders auch deswegen, weil die Klassenräume noch kälter sind, als es draußen ist. Weiter erkälten möchte ich mich echt nicht. Auch gefällt mir das frühe ausstehen mit dem kurzen Frühstück nicht.

So werden wir morgen versuchen, ob Jeannine noch meine zwei weiteren Wochen Kurs bekommen kann (sie hätte dann 6 Wochen). Das wäre eigentlich perfekt, da sie sehr gut im Thema ist und ihr das (Sprache) Lernen Spaß macht und viel leichter fällt als mir . Schauen wir mal…

Montag, 23.1.

(Claus:) Jeannine verhandelt mit dem Schulleiter…und er willigt ein. D.h. statt je 4 Wochen Kurs, macht Jeannine nun 6 Wochen (und ich bin nach 2 Wochen raus). Ein weiterer Vorteil: Der neue Kurs besteht, inkl. Jeannine, nur aus drei Schülern. Also fast Privatunterricht.

So können wir gemeinsam ein kurzes Frühstück machen und dann radelt Jeannine los. Ich kümmere mich dann um den Abwasch, den Müll usw., sodass wir dann am Nachmittag auch etwas mehr Zeit haben. Was in der Schule Neues dazukam erzählt mir Jeannine und ich höre noch Vokabeln ab. Eine gute Lösung für uns beide – hoffen wir.

Helga und Maria, ihre Freundin, kommen wie jeden Tag auf ein kurzes Gespräch vorbei und erzählen, dass sie Spargel sammeln gehen. Angeblich soll es wilden, grünen Spargel an/auf den Wiesen geben. Ich sage, dass sie mir gerne auch einen Korb voll mitbringen können.

Auf der Rücktour kommen sie, mit sehr magerer Beute, wieder vorbei und Maria schenkt mir netterweise ihre komplette Ernte.

Das Abendessen wird nicht besonders üppig!

Ja, so bleiben wir in Kontakt mit den Mitcampern, da wir an zentraler Position stehen (hier müssen alle vorbei, die ihren Standplatz oberhalb von uns haben). So ergeben sich eigentlich jeden Tag neue, kurze oder längere, Gespräche. Zudem sind wir ja fast schon Dauercamper, da wir nun rund sieben Wochen hier sind. Durch die Spanisch-Kurs-Verlängerung kommen nun ja nochmals ca. vier Wochen hinzu.

Wir sind aber nicht die einzigen, die hier länger bleiben. Neben uns steht ein Münchner, der seit Oktober unterwegs ist und bis ca. April bleibt. Er arbeitet als Programmier im Homeoffice. Das witzige: Sein Chef weiß nicht wo sich dieses Home-Office befindet! Solange er seine Arbeit erledigt, zwischen Surfen und Sonnen, scheint dies aber kein Problem zu sein.
Schön ist auch, dass sich unsere neuen Bekannten aus Köln per WhatsApp gemeldet haben. Sie sind wieder im Alltag angekommen.

Dienstag, 24.1.

(Claus:) Jeannine fährt den zweiten Tag alleine in ihre neue Klasse und ich frühstücke später meine Croissants im Auto, da es heute ziemlich frisch ist. Trotzdem wird es später noch sehr schön.

Gegen 12:00 scheint wieder die Sonne.

Ich lerne dann noch eine Stunde Spanisch mit „Babbel“. Wir wollen doch mal sehen, welche Lernform am Schluss „gewinnt“.

Mittwoch, 25.1.

Nichts außer Regen und Kälte (ca. 12 Grad). Um 17:50 wenigstens noch ein schöner Sonnenuntergang.

Montag, 23.1. bis Freitag, 27.1.

Jeannine: Seit Montag besuche ich die Schule ohne Claus und bin in einer anderen Klasse, was ein bisschen Eingewöhnung braucht. Die Lehrerin Maria macht gelegentlich den Eindruck, als hätte sie keine Lust zum Unterrichten. Andererseits hat sie eine komödiantische Ader und kann sehr lustig sein, wenn sie uns mit Händen und Füßen und viel Mimik etwas vorspielt.

Wir sind nur drei Schüler: Alex (wahrscheinlich Alexander), ein Russe Mitte vierzig, der außer russisch nur miminal englisch spricht und sich sehr schwer tut. Er macht einen etwas grimmigen und unzugänglichen Eindruck. Entsprechend überrascht sind wir, als er sich bei einer Übung auf spanisch als lustig beschrieb. Aber das ist er tatsächlich, wenn er auftaut. Und dann ist da noch Jonathan, 23jähriger Lehramtsstudent aus Kiel und passionierter Kite-Surfer. Er gehört offensichtlich zu der Gruppe der Cracks, die beim richtigen Wind in der Bucht direkt vor der Isla de Paloma ihre Sprünge und Luft-Akrobatik machen. Beim nächsten Mal, wenn es richtig bläst, muss ich mir das genauer anschauen. 

Ein Highlight der Woche ist der Besuch bei einer spanischen Friseuse. Ich habe es dringend nötig, habe aber auch ein bisschen Angst davor, wie ich hinterher aussehen werde. Der Salon hat den Charme einer Eisdiele in einem italienischen Industriegebiet. Hohe Räume, Neonröhren an der Decke, kein Stück Irgendwie gearteter Dekoration. Es ist richtig kalt, vor allem, weil die Tür offen bleibt. Während sie schneidet, redet die Friseuse unablässig mit ihrer Kollegin und anderen Kundinnen in schnellem Spanisch, das mir genau so vorkommt: spanisch! Ich verstehe kein Wort. Aber schließlich redet sie auch nicht mit mir. Dafür schneidet sie meine Haare raspelkurz, was immerhin die Aufmerksamkeit der anderen Kundinnen erregt. Am Ende bin ich sozusagen im Zentrum der Aufmerksamkeit und froh, als die Prozedur vorüber ist. Immerhin war der Friseurtermin unschlagbar billig: 19 EUR habe ich bezahlt. Und die Haare wachsen ja wieder.

In der dritten Schulwoche zieht das Lerntempo an, allein deswegen, weil täglich dutzende neuer Vokabeln dazu kommen. Und Verben – von denen leider erheblich viele unregelmäßig sind. Und viele Synome, bei denen auch Maria nicht immer erklären kann, wann man welches verwendet. Na ja. Zumindest bei Einkaufen und im Restaurant stellen sich die ersten Erfolgserlebnisse ein. Auch mit Maria, der spanischstämmigen Freundin von Duro-Helga kann ich schon erste einfache Sätze plaudern.

Am Freitag wird mir die nächste Änderung mitgeteilt. Wie sich herausstellt, hat Jonathan nur eine Woche Sprachschule gebucht und ist ab Montag nicht mehr da. Alex wiederum hat zwei Tage gefehlt (wie offensichtlich auch schon in der Vorwoche), ist aber noch dabei. Alex (wenn er da ist) und ich kommen wieder in meine ursprüngliche Klasse, die mit 7 Schülern dann recht groß sein wird. Ich lasse das mal ganz entspannt auf mich zukommen. Lernen werde ich trotzdem was.

Samstag, 28.Januar

Im Spanischkurs bekommt man auch Ausflugstipps für die Umgebung. Es gibt einen Berg namens Betis ganz in der Nähe, von dem aus man schöne Ausblicke haben soll. Das Wetter ist genial, sonnig und fast windstill. Ich fahre mit dem Rad zu einem Wanderparkplatz, von dem aus die Tour startet. Schon die Zufahrt ist wunderschön und eine Neuentdeckung. Die Wanderung führt einmal um den Berg herum und ist mit zwei Stunden angegeben. Ich brauche drei, weil der Weg nicht markiert ist und ich mich mehrmals verlaufe. Mitten im Wald bei der Suche nach dem Wanderweg kommt mir eine Gruppe junger Deutscher  entgegen, die ich anspreche. Und wer ist dabei? Jonathan aus dem Spanischkurs!

Geier ziehen Kreise.

Der Blick von oben ist phantastisch, und zwar in alle Richtungen.. An einer Stelle kreisen mehrere Geier über mir, und auf dem Rückweg gibt es die schönsten Ausblicke auf Tarifa und den Jbel Musa, die ich bisher gesehen habe. 

Blick vom Betis auf Tarifa und auf den Jbel Musa (in Marokko).

(Claus) Ich bin ja eher abends unterwegs..:-)

Montag, 30.1. bis Sonntag, 5.2.

Jeannine: Die Woche beginnt am frühen Montag morgen mit einem krachenden Gewitter. Es donnert so heftig, dass wir aus dem Schlaf schrecken. Danach folgt sturzflutartiger Regen. Zur gleichen Zeit hagelt es in Tarifa, und die Wohnmobilstellplätze werden teilweise überflutet. Unsere Spanischlehrerin Bea zeigt Fotos von Hagelhaufen, die aussehen wie Schnee und kann es gar nicht fassen, dass so etwas in Tarifa vorkommt. Radfahren ist heute nicht, weil es auch tagsüber schüttet und stürmt. Claus fährt mich und holt mich auch wieder ab.

Ich bin wieder in meiner „alten“ Klasse. Inzwischen ist noch Nadja dazugestoßen, eine Italienerin, der Spanisch naturgemäß leicht fällt. Sie wohnt in der Nähe von Bologna und arbeitet in einem Kulturzentrum, das sich dem italienischen Partisanenkampf während des zweiten Weltkriegs widmet. Da wir nebeneinander sitzen, ist sie meine neue Partnerin bei den Sprachübungen.

Claus hat auf dem Campingplatz ein Ehepaar aus Mönchengladbach kennengelernt. Die beiden, Herbert und Dagmar, nehmen uns am Mittwoch Nachmittag mit dem Auto auf eine kleine Exkursion mit in die Berge oberhalb von Bolonia. Da war ich auch schon mal mit dem Fahrrad gewesen und hatte die Aussicht bewundert. Diesmal geht es noch ein Stückchen höher, und der Fokus liegt im Himmel. Wir bewundern eine ganze Truppe von Gänsegeiern, die majestätisch über uns kreisen und in den Felsen am Nestbauen sind. Wir bleiben über eine Stunde da oben, und es ist wie Meditation. Die Geier kreisen, der Himmel ist blitzeblau, und die Aussicht grandios.

Der weiße Fleck im Hintergrund ist die Düne von Bolonia.

Danach gibt‘s noch eine Tasse Kaffee und eine Verabredung zum Pizzaessen.

Am Donnerstag macht die ganze Schule (wobei wir momentan nur 9 Schüler sind) eine Exkursion zum Kastell von Tarifa. Schulleiter Gaspar erklärt uns sachkundig die historischen Hintergründe und führt uns durch die Räumlichkeiten. So erfahren wir, dass das Kastell bis in die 1930er Jahre direkt ans Meer angrenzte, und der Zugang zur Stadt durch eines der Tore führte. Erst dann wurde der Hafen gebaut, der heute vor dem Kastell liegt.

Der Hafen von Tarifa vom Kastell aus gesehen.
Schulleiter Gaspar führt uns durch das Kastell.

Das Kastell selbst wurde nach der Eroberung Tarifas im 10. Jahrhundert von den Mauren gebaut. Nach der Rückeroberung durch die Christen 1292 wurde ein (maurischstämmiger) Statthalter namens Guzman in der Burg eingesetzt. Bei einem Angriff der Mauren, die die Stadt 1294 wieder in ihre Hände bringen wollten, geriet Guzmans Sohn in die Hände der Araber. Die Mauren drohten Guzmans Sohn umzubringen, wenn er die Stadt nicht aufgeben würde. Guzman blieb standhaft und weigerte sich, die Stadt für seinen Sohn zu opfern. Das Flehen seiner Frau ignorierend warf er den Mauren noch einen Dolch für die Ermordung seines Sohnes zu. Für diese Heldentat ging Guzman als „il bueno“ (der Gute) in die Geschichtsbücher ein. Überdies erhielt er von König Sancho IV von Kastilien umfassende Fischereirechte sowie Ländereien, die den Reichtum seiner Familie begründeten. Was mit dem Sohn passiert ist, steht nirgendwo. 

Eine Replik dieses Bildes hängt im Kastell. Quelle: Wikipedia.

Am Freitag waschen wir blitzschnell zwei Maschinen Wäsche, weil es sonnig und schön ist. Abends gehen wir mit Herbert und Dagmar Pizza essen. Der Wirt ist Deutscher und Borussia-Fan. An den Wänden hängen vier bis fünf riesige Fernseher, auf denen natürlich Fußball läuft. Die ganze Kneipe sieht aus wie ein Fanshop, und das Publikum ist selbstredend überwiegend deutsch. Nach der Pizza gibt es noch eine Absacker in der Campingbar. Ein sehr netter Abend.

Fanshop in der Pizzeria. Der Chef fliegt übrigens zu allen Heimspielen nach Dortmund.

Schon seit Donnerstag habe ich Halskratzen. Trotz sofortiger Teekur mit Infektblockertee kann ich die Erkältung nicht mehr abwenden. Samstag bis Montag liege ich flach und bewege mich kaum vom Wohnmobil weg.

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